Wenn Körper und Seele um Hilfe schreien NUR – Neue UfeR kümmert sich um Menschen, die sonst keinen Zugang zu Therapie hätten

Vor zehn Jahren wurde mit Mitteln der Erzdiözese München und Freising die Psychologische Beratung für Geflüchtete in ganz Oberbayern PSZ NUR – Neue UfeR gegründet. Ein Angebot, das Menschen beim Überleben nach Traumata hilft. Nun feiert es sein zehnjähriges Bestehen. Kardinal Reinhard Marx feiert mit.
 
Nicolas Büechl von Neue UfeR (NUR) - Psychosoziale Beratung für Geflüchtete beim Beratungsgespräch mit einem Klienten
Niko Büechl bei der Beratung eines Klienten
„Nur“ bedeutet auf Arabisch und Persisch Licht, Hoffnung. Und genau das will die Psychologische Beratung für Geflüchtete in ganz Oberbayern PSZ NUR – Neue UfeR des Diözesancaritasverbands München und Freising erreichen: Dass schwer traumatisierte geflüchtete Menschen wieder Hoffnung finden dürfen. „Die Menschen, die zu uns geflüchtet sind, haben ihre Heimat wegen Krieg, Verfolgung oder Hunger verlassen“, erklärt Niko Büechl, der das Psychosoziale Zentrum NUR - Neue UfeR leitet.

Der Psychologe weiß aus zahlreichen Gesprächen, dass viele bei ihrer Flucht zusätzlich Schlimmes durchlebt haben und ergänzt: „Hier in den Sammelunterkünften leben viele traumatisierte Menschen mit verschiedenen Muttersprachen. Manchmal begegnen einander Opfer von Gewalt und die Täter von damals. Dazu kommen Zukunftsängste und Frustration.“

Auf all diese Faktoren reagieren Körper und Seele. Dann laufen die einen rastlos hin und her, die anderen reagieren aggressiv auf jeden Kontakt, wieder andere ziehen sich völlig in sich zurück. „Was ist nur los mit mir? Ich war früher ganz anders“, hat nicht nur ein Klient zu Niko Büechl gesagt. Dabei seien psychische und körperliche Reaktionen auf das jeweils Erlebte normal, so Büechl. „Deshalb erklären wir unseren Klientinnen und Klienten, wie sich psychische Belastungen auch auf den Körper auswirken können. Das hilft ihnen, sich besser zu verstehen“, berichtet der 34-jährige Klinische Psychologe.

Da Asylbewerber:innen kaum Zugang zu psychotherapeutischer Regelversorgung finden, gehen die zehn Mitarbeitenden von NUR – Neue UfeR auch proaktiv in Sammelunterkünfte, wie zum Beispiel Ankerzentren. Um möglichst von allen verstanden zu werden, arbeiten sie mit Skizzen oder kurzen Filmen, die über Symptome nach Traumata informieren. Auch Methoden zum Stressabbau vermittelt das Team bei solchen Besuchen. Natürlich erfahren Interessierte dort auch vom Angebot der Einzelbegleitung. Darauf machen außerdem Asylsozialarbeiter:innen oder engagierte Ehrenamtliche mögliche Betroffene aufmerksam. An Klient:innen mangelt es nicht.
 
Nicolas Büechl
Niko Büechl
Das Team der psychosozialen Beratung für Geflüchtete besteht derzeit aus Niko Büechl, acht Mitarbeiterinnen und einem Mitarbeiter, die alle eine Migrationsgeschichte mitbringen. Für den Kontakt mit traumatisierten Geflüchteten ist das gut, denn so verfügen die Kolleg:innen über diverse Sprach- und Kulturkompetenzen. Wo Farsi, Pashtu, Ukrainisch, Russisch und Spanisch neben Englisch und Französisch nicht ausreichen, helfen Dolmetscher:innen.

„Als ich in Deutschland angekommen bin, hatte ich große Probleme“, erzählt Sajjad Q. Der 22-Jährige stammt aus Afghanistan und war mehr als die Hälfte seines Lebens auf der Flucht. Seine Mutter floh mit ihm vor den Taliban über Pakistan, den Iran, die Türkei und Griechenland, bis beide vor fünf Jahren hier ankamen. Unterwegs erlebte Sajjad viel Gewalt, vor allem in Pakistan und Griechenland. Einen Arm kann er bis heute nicht voll belasten, weil ihm die Handknochen gebrochen wurden. Er war unruhig, gehetzt und voller Ängste, als er Deutschland erreichte. „Ich habe Tabletten bekommen, aber die haben nicht geholfen. Mir ging es erst besser, als ich mit Niko sprechen konnte“, sagt der junge Mann in gutem Deutsch. Sajjad Q. kam längere Zeit alle zwei Wochen zur Einzeltherapie zu Nikolas Büechl. Später verlängerte sich der Abstand auf einen Monat.

Mittlerweile hat Sajjad Q. sein „Leben im Griff“, wie er es selbst ausdrückt. Und er hat einiges geschafft: Den Qualifizierenden Hauptschulabschluss, zertifizierte Deutschkenntnisse auf dem Niveau B 1, den Führerschein. Er will eine Ausbildung absolvieren, am liebsten in einem medizinischen Beruf. Daneben kümmert er sich um seine Mutter, der mittlerweile Pflegegrad 3 zugesprochen wurde. Beide leben zusammen in einer Wohnung in Augsburg.

Kürzlich haben sich Sajjad Q. und Niko Büechl zufällig getroffen: Während Büechl zu einem mobilen Info-Dienst fuhr, um neu angekommenen Geflüchteten NUR – Neue UfeR vorzustellen, war Sajjad als ehrenamtlicher Dolmetscher vor Ort. „Das war ein schönes Erlebnis“, betonen beide übereinstimmend.
 
Patricia Mandimika
Patricia Mandimika
Traumatisierte Geflüchtete haben Schlimmes durchlebt. Vor allem die Frauen unter ihnen. Viele wurden auf der Flucht Opfer sexualisierter Gewalt. Nicht wenige haben Babys zur Welt gebracht, die in einer Vergewaltigung gezeugt wurden. „Ich denke an eine 18-Jährige, der es so ergangen ist“, berichtet Patricia Mandimika.

Mandimika ist Psychologin mit dem Geburtsort Harare in Zimbabwe. Die 47-Jährige begleitet vor allem Frauen. Die 18-Jährige, von der sie gerade gesprochen hat, konnte sie nach einer Therapie mittlerweile in ein Mutter-Kind-Heim vermitteln. Dort kümmern sich Sozialpädagoginnen weiter um die junge Frau und ihr Kind. „Sie fängt wieder an, ein eigenes Leben zu haben“, freut sich Patricia Mandimika. Die Psychologin ist wie Niko Büechl fast von Anfang an bei NUR – Neue UfeR. Zehn Jahre ist es mittlerweile her, dass die Psychosoziale Beratung für Geflüchtete mit Mitteln der Erzdiözese München und Freising gegründet wurde.

Patricia Mandimika berät sieben bis neun Frauen pro Tag, manchmal mit Hilfe von Dolmetscherinnen. „Nach einiger Zeit gelingt es, den Klientinnen Skills nahezubringen, damit sie ihr Leben wieder in die eigene Hand nehmen können. Das ist nicht immer einfach, aber es ist eine sehr befriedigende Arbeit“, ergänzt die Psychologin. „Ich liebe es, wenn Klientinnen erfolgversprechende Entwicklungsschritt machen“, lächelt Patricia Mandimika und macht sich auf den Weg zum nächsten Gespräch.
 
Text: Gabriele Riffert, Freie Redakteurin, Oktober 2025
 
Psychosoziales Zentrum NUR – Neue UfeR

Die Arbeit der Psychosozialen Beratung für Geflüchtete NUR – Neue UfeR gehört zum Bereich Psychosozialer Dienst für Alle mit Migrationsbiografie des Diözesancaritasverbands, der aus der Begleitung von „Gastarbeitern“ seit 1977 sukzessive entstanden ist.

Die Arbeit von NUR – Neue UfeR besteht aus vier Bereichen:
  •          Einzelfallberatung und Therapie traumatisierter Menschen
  •          Aufsuchende Gruppenberatung, etwa in Ankerzentren
  •          Fachberatung für haupt- und ehrenamtliche Kolleg:innen
  •          Workshops, Schulungen und Supervisionen für Haut- und Ehrenamtliche, die sich für Geflüchtete engagieren
NUR – Neue UfeR besteht zurzeit aus dessen Leiter Niko Büechl und neun Fachpersonen, die selbst alle eine Migrationserfahrung mitbringen. Die Räume von NUR – Neue UfeR befinden sich im Münchner Hauptbahnhofsviertel, um gut für alle erreichbar zu sein.

Zum zehnjährigen Bestehen besucht Kardinal Reinhard Marx am 8. Oktober 2025 die Gemeinschaftsunterkunft der Regierung von Oberbayern für Geflüchtete in der Aschauer Straße 34 in München, wo er sich über die Angebote der psychologischen Beratung traumatisierter Flüchtlinge informieren und mit Geflüchteten sprechen wird.

Weitere Informationen bietet diese Homepage.