Dolmetscher der Kirchen Wer den Beruf des Kirchenführers von Grund auf erlernen möchte, kann sich bei der Erzdiözese weiterbilden

Frauen und Männer, die Führungen in Gotteshäusern anbieten wollen, können bei einer Ausbildung der Erzdiözese München und Freising lernen, was eine gute Führung ausmacht. Neben fundierten Informationen zu Stilkunde und Kirchengeschichte erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch Anregungen zur didaktischen Durchführung. Deshalb gehören auch praktische Übungen zum Programm. Teilnehmen kann jeder, der sich für Architektur und Kunst interessiert.
 
Auf dem Foto ist ein Kirchenführer zu sehen, der zwei Personen Wissenswertes über eine Kirche erzählt.
Bei der Kirchenführerausbildung der Erzdiözese können Interessierte viele praktische und methodische Tipps erhalten
Eine Kirchenführung kann eine ziemlich trockene Angelegenheit sein. Der Führer oder die Führerin rattert Jahreszahlen herunter und schleust die Gruppe von einem Altar, Gemälde oder Fenster zum nächsten. Am Ende denkt man: Abgehakt – und nichts wie raus.
 
Damit genau das nicht passiert, gibt es vielfältige Tipps und methodische Ansätze, wie Führungen lebendig und informativ gestaltet werden können. Viele Männer und Frauen, die in diesem Bereich tätig sind, wissen sehr gut, wie sie ihr Publikum für einen Kirchenraum begeistern können. Wer noch mehr darüber erfahren oder den Job von Grund auf lernen möchte, kann an der Kirchenführerausbildung der Erzdiözese München und Freising teilnehmen.
 
Seit fast 20 Jahren bietet das Erzbistum Kurse für Kirchenführer an. Mehr als 200 Personen haben die Ausbildung seitdem absolviert. Etwa 450 Personen haben an einem oder mehreren Vertiefungskursen teilgenommen. Das aktuelle Konzept sieht einen dreitägigen Grundlagenkurs sowie drei ergänzende Thementage vor. Teilnehmen kann jede und jeder. Vorkenntnisse sind nicht nötig. Auch katholisch oder christlich sein muss man nicht. Wobei eine „gewisse religiöse Grundprägung“ sicherlich Sinn ergebe, sagt Kunsthistorikerin Dr. Martina Außermeier. Die Fachreferentin in der Hauptabteilung Kunst im Erzbischöflichen Ordinariat München ist verantwortlich für die Inhalte der Kirchenführerausbildung, Veranstalterin ist die Katholische Erwachsenenbildung (KEB).
 
Martina Außermeier
Dr. Martina Außermeier leitet die von der
KEB veranstaltete Kirchenführerausbildung
„Mir geht es als Kunsthistorikerin in erster Linie ums Schauen. Dass die Leute tatsächlich die Räume erschauen, erfahren, begreifen“, erklärt Außermeier. Im Grundlagenkurs liegt der Fokus genau darauf: auf dem Schauen lernen. Natürlich werden auch Zahlen, Fakten und Begriffe zur Stilkunde und zur Bayerischen Kirchengeschichte vermittelt. Auch theologische Inhalte spielen eine Rolle, damit Architektur und Kunst entsprechend eingeordnet werden können. Aber im Mittelpunkt stehen der Kirchenraum und die Kunstwerke vor Ort sowie Hilfen und Übungen für eigene Führungen.

Räume erschauen, erfahren und begreifen

Was Martina Außermeier bei den Kursen stets wiederholt, ist der Rat, bei den Führungen Phasen einzubauen, in denen die Menschen den Raum eigenständig entdecken können. Anschließend sollte das Gesehene noch einmal mit der Gruppe durchgesprochen werden. „Das ist das Wesentliche, damit eine Kirchenführung einen Sinn macht und die Leute mit einem erfüllten Gefühl hinausgehen“, sagt Außermeier. Und die Fachfrau hat noch einen Tipp: Immer von außen nach innen, vom Großen zum Kleinen vorgehen. Das heißt, eine gute Kirchenführung beginnt vor der Tür, mit einem Erfahren der Dimensionen, der Lage, der Einbindung in das Gelände. Erst dann geht die Gruppe hinein.
 
Auf dem Foto ist der Hauptaltar der Theatinerkirche München mit Heiligenfiguren zu sehen
Im Grundlagenkurs geht es nicht nur um das "Schauen lernen", sondern auch um die Hinführung zum Religiösen. Bei keiner Kirchenführung in München darf deshalb die Theatinerkirche mit ihrem reich geschmückten Hauptaltar fehlen
 
Roland Götz
Dr. Roland Götz, Kunsthistoriker und
Theologe, leitet das Archiv des Erzbistums
Einer der Referenten, die außer der Leiterin bei den Kursen ihr Fachwissen vermitteln, ist Dr. Roland Götz vom Archiv des Erzbistums. Der Theologe und Kirchenhistoriker, der selbst seit mehr als 30 Jahren privat und dienstlich durch Kirchen führt, möchte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Kurse vor allem eins vermitteln: „Die Geschichte einer Kirche gehört zu einer Kirchenführung.“ Auch Götz warnt davor, übermäßig viele Jahreszahlen zu nennen. Aber eine historische Einordnung sei wichtig, egal ob man eine romanische Kapelle oder einen Bau aus den 1970er Jahren vor sich habe. „Ich muss immer wissen, in welcher Situation, in welcher kirchengeschichtlichen Umgebung eine Kirche entstanden ist, um sie verstehen und erklären zu können“, so Götz.
 
Hinführung zum Existenziellen und Religiösen
 
Als Theologe möchte der Archivoberrat seine Gruppen auch dabei unterstützen, die spezielle religiöse Dimension einer Kirche zu erkennen und zu verstehen. Viele der Menschen, die an seinen Führungen teilnehmen, hätten nicht unbedingt eine kirchliche Sozialisation und seien dankbar, wenn er ihnen dabei helfe, diesen speziellen „kulturellen Kosmos“ zu begreifen. Tatsächlich geht es, anders als beispielsweise in einer städtischen Kunstgalerie, bei einer Kirchenführung immer auch um eine Hinführung zum Religiösen und Existenziellen. Götz achtet allerdings streng darauf, dass es bei dieser Hinführung bleibt. „Ich verstehe mich als Dolmetscher einer Kirche“, sagt er. „Wenn Gruppen und Menschen nicht von Haus aus in einem religiösen Kontext unterwegs sind“, werde er sie „nicht zu einer religiösen Handlung nötigen“. Bei Führungen mit Firm- oder Erstkommuniongruppen oder im Rahmen von Pfarrausflügen ist das anders. Da wird schon mal ein Lied gesungen oder ein Gebet gesprochen.
 
Was eine gute Führung außerdem ausmacht: Die führende Person erzählt nur, was zu belegen ist; Anekdoten oder Legenden werden klar als solche kenntlich gemacht. Sie ist authentisch; was sie sagt und wie sie es aufbereitet, passt zu ihr. Und: Sie gibt zu, wenn sie mal etwas nicht weiß und auf eine Frage keine Antwort hat.
 
Kirchenführern und Kirchenführerinnen, die diese Empfehlungen beherzigen, wird es sicherlich gelingen, ihre Gruppen für „ihre“ Kirche zu begeistern. Für Einsteiger hat Referent Roland Götz noch eine Ermutigung parat: „Es kann nicht von Anfang an perfekt sein – und das muss es auch nicht.“

Text: Christina Tangerding, freie Redakteurin, Januar 2022
 

Kirchenführerausbildung und Kirchenführungen im Erzbistum München und Freising

Die Kirchenführerausbildung der Erzdiözese besteht aus einem dreitägigen Grundlagenkurs und drei Thementagen. Der nächste Grundlagenkurs findet vom 9. bis 11. Mai 2022 in Freising statt.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhalten eine Teilnahmebestätigung. Wer möchte, kann nach Abschluss der Ausbildung ein Zertifikat erwerben. Dafür hält die Person im Beisein der Kursleitung eine selbst erarbeitete Führung in einer Kirche vor Ort. Das Zertifikat ist keine Voraussetzung, um Führungen anbieten zu können. Es kann aber bei der Absprache mit Pfarreien hilfreich sein. Denn jede Führung in einer Kirche muss vorab bei der Pfarrei angefragt und angemeldet werden. Während eines Gottesdienstes können grundsätzlich keine Führung stattfinden.
Wer selbst an einer Kirchenführung teilnehmen will und Termine sucht, kann sich auf der Webseite der jeweiligen Pfarrei informieren. Künftig sollen die Termine auch zentral zu finden sein. Geplant ist eine digitale Plattform, auf der die Termine veröffentlicht werden und Kirchenführerinnen und Kirchenführer sich untereinander vernetzen können.

Spannend und lehrreich

Wie Teilnehmerinnen den Kurs Kirchenführung erlebten

Mehr...