"Wir müssen die Wälder klimafit machen!" Wie nachhaltige Waldwirtschaft die Artenvielfalt im Erzbistum erhöht

Die Kirche ist einer der größten Waldbesitzer in Bayern. Allein das Forstamt im erzbischöflichen Ordinariat München bewirtschaftet eine Waldfläche so groß wie rund 7.000 Fußballfelder. Immer im Blick der Förster: Die Bewahrung der Schöpfung. Keine leichte Aufgabe, gerade bei sommerlich hohen Temperaturen, lang andauernder Trockenheit und erhöhter Waldbrandgefahr.
 
Symbolbild Wald
In der Erzdiözese wurde schon vor langem mit dem Umbau zu stabileren Mischwäldern begonnen. Pro Jahr werden zwischen 150.000 und 200.000 Laubholz-Setzlinge gepflanzt, um von den Fichten-Monokulturen wegzukommen
Das Thermometer klettert in den Sommermonaten immer höher, die Hinweise, durch häufiges Trinken den Körper zu entlasten, werden immer öfter in Nachrichten, Informationssendungen oder in den Zeitungen verbreitet. Mindestens genauso viel Stress erleidet auch der Wald bei andauernder Trockenheit und hohen Temperaturen. Was früher in Bayern eine Seltenheit war, ist heute schon fast Normalität im Sommer: Waldbrandgefahr. Hinzu kommt, dass die Bäume sehr viel anfälliger gegenüber Schädlingen und Krankheiten werden. Das Erzbistum München und Freising will dagegen etwas tun. Ganz aktiv.

Der Wald leidet. Selbst Laien, die nichts mit Forstwirtschaft zu tun haben, sehen, wie sehr die Trockenheit in diesem Sommer den Bäumen zu schaffen macht. Die Blätter verfärben sich bereits im Juli und fallen ab. Bei den Nadelbäumen kommt neben dem Stress aufgrund der Trockenheit hinzu, dass sie dadurch besonders anfällig für Borkenkäferbefall sind. Selbst jetzt im Hochsommer ist das Aufheulen der Kettensäge und das Fällen von Bäumen zu hören. Sogenannte „Käferbäume“ müssen entnommen werden, also Fichten, die vom Borkenkäfer so stark befallen worden sind, dass sie keine Chance haben, sich zu erholen.
 
App sei Dank

Die Erzdiözese München und Freising bewirtschaftet rund 5.000 Hektar Wald, das ist eine Fläche von rund 7.000 Fußballfeldern. Bernhard Vollmar und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Forstabteilung kümmern sich um diese Wälder und haben die Aufgabe, sie klimafit zu machen und gut in die Zukunft zu bringen.

In der Erzdiözese wurde schon lange mit dem Umbau zu stabileren Mischwäldern begonnen, berichtet der Förster: „Pro Jahr pflanzen wir zwischen 150.000 und 200.000 Laubholz-Pflanzen, um von den Fichten-Monokulturen wegzukommen. Dann geht es darum, dass man bestimmte Bereiche stilllegt, dass man Totholz belässt in der Fläche und Habitatbäume stehen lässt.“ Dort können Spechte ihre Höhlen zimmern und sich Fledermäuse und Insekten ansiedeln. Solche Bäume, die Lebewesen einen geeigneten Lebensraum bieten, müssen stehen bleiben. Dazu wurde extra eine App entwickelt für das Forstinformationssystem, in der Totholzbäume, Habitatbäume und Samenbäume ausgewiesen werden. Auch im Wald werden diese Bäume gekennzeichnet, damit auch die Forstarbeiter sofort sehen, welche Bäume nicht angetastet werden dürfen. Biodiversität ist eine wichtige Aufgabe der Förster, betont Bernhard Vollmar: „Jede Tier- oder Pflanzenart, die klimabedingt ausfällt, ist eine Verarmung unseres Lebensraums.“
 
Forstwirtschaft als Generationenaufgabe
 
zwei Männer gehen mit Hund auf Forstweg spazieren
Und gerade deshalb bewirtschaftet das Forstamt im Erzbischöflichen Ordinariat die Waldflächen. Ganz bewusst. Für Bernhard Vollmar ist das auch kein Widerspruch mit dem Klima- oder Naturschutz. „Forstwirtschaft ist eine Generationenaufgabe. Dass wir heute über 60 Prozent Fichtenwälder haben –, diese Entscheidung wurde vor 30 bis 100 Jahren getroffen. Unsere Vorgänger wussten nicht, dass wir im Jahr 2022 mit fehlenden Niederschlägen und bis zu 1,5 Grad höheren Durchschnittstemperaturen kämpfen müssen. Jetzt müssen wir das Beste daraus machen und diese Bestände bewirtschaften, notfalls mit Harvestern, also mit großen Vollerntemaschinen. Nichts tun ist der schlechteste Ratgeber!“

Besonders betroffen von hohen Temperaturen und fehlendem Niederschlag ist das Revier 3 um Neumarkt St. Veit. Thorsten Ehnle ist hier seit 20 Jahren als Revierleiter zuständig. Wie bei allen anderen Wäldern der Erzdiözese auch, ist hier das oberste Ziel, dass sich die wirtschaftliche Nutzung und der Schutz der Artenvielfalt in den diözesanen Wäldern nicht in die Quere kommen. Ehnle betont, dass der Wald keine reine Produktionsstätte sein dürfe. Genau in diesem Punkt unterscheide sich die Kirche von anderen Waldbesitzern. Auch darum liebt er seinen Beruf noch immer.

Damit es „seinem“ Wald gut geht, achtet er auf nachhaltiges Wirtschaften. Denn schließlich steht er im Dienst der Kirche, die sich für die Bewahrung der Schöpfung stark macht.
 
Nachhaltigkeit – mehr als nur ein Schlagwort
 
GEfällte Eschen im Aubachtal
An den Wurzeln geschädigt: Die gefällten Eschen im Aubachtal
„Nachhaltigkeit bedeutet, dass nicht mehr Holz genutzt wird, als nachwächst. Und hierauf legen wir natürlich auch im Kirchenwald sehr großen Wert. Ziel ist es, einen robusten Mischwald zu schaffen, anfällige Monokulturen zu vermeiden und gleichzeitig Bäume zu pflanzen, die mit trockenen Sommern besser zurechtkommen als die bei uns so weit verbreiteten Fichten“.

Soweit möglich und sinnvoll, werden im gesamten Kirchenwald aus diesem Grund die Fichtenbestände rechtzeitig mit klimaresistenten Mischbaumarten ergänzt, oder wie der Förster sagt, „unterbaut“. Wenn dann die Fichte ausfällt, hat es der mittlerweile etablierte Jungbaumbestand leichter, sich gegen Konkurrenzpflanzen wie Brombeere oder Vergrasung, durchzusetzen.

Neben der Schädigung durch Borkenkäfer werden die Förster der Erzdiözese auch mit anderen Schädlingen konfrontiert. Beispiel hierfür ist das Eschentriebsterben, das seit rund 20 Jahren in ganz Mitteleuropa die Eschenbestände absterben lässt. Ursache ist ein Pilz, der aus Asien eingeschleppt wurde. Da die befallenen Eschen infolge einer Wurzelschädigung einfach umfallen, erwächst hieraus ein erhebliches Gefahrenpotential. Im Aubachtal im Wald Delling der Erzdiözese müssen aus diesem Grund mittlerweile sämtliche wegbegleitenden Eschen entfernt werden.
 
Toteisloch im Wald Delling
Toteisloch im Wald Delling.
Dort wo heute Gräser wachsen
und sich Laub abgelagert hat,
enthält der kleine Tümpel in normalen Zeiten
genügend Wasser, damit er als Laichgewässer
für Amphibien dienen kann.
Manchmal ist es auch gar nicht möglich, eine Fläche sinnvoll zu bewirtschaften. „Zum Beispiel muss man vernässte Moorbereiche nicht bepflanzen. Die kann ich aus der Nutzung nehmen“, demonstriert Förster Vollmar im Dellinger Wald, bei Weßling. Das Gebiet mit seinen Toteislöchern aus der letzten Eiszeit soll jetzt wieder großflächiger komplett der Natur überlassen werden. Dort sind riesige Eisbrocken vom Gletscher abgebrochen. Durch das Schmelzwasser in den Löchern sind kleine Seen und Weiher entstanden.

Geplant ist, dass in diesem Herbst noch der Modder der letzten Jahrzehnte, Astwerk, Sträucher und Wurzeln durch Bagger entfernt werden, damit sich in den moorigen Löchern wieder verstärkt Wasser ansammeln kann. Bernhard Vollmar hofft, dass sich mit der Zeit dort auch wieder zahlreiche Amphibien wie Erdkröten, Braun- oder Laubfrösche ansiedeln – auch Molche und Unken. Denn die sind aufgrund der Trockenheit der letzten Jahre in der Gegend kaum noch aufzufinden. Durch die Maßnahme soll zusammen mit der Unteren Naturschutzbehörde in Starnberg ein wichtiger Trittstein zu benachbarten Habitaten geschaffen werden.
 
Renaturierung als Teil der Waldwirtschaft

Ein ähnliches Projekt soll auch in der Nähe von Rosenheim gestartet werden. Dort sind die kirchlichen Waldflächen von Bombenkratern aus dem zweiten Weltkrieg geprägt. Viele Splitter der abgeworfenen Bomben oder auch von Granaten stecken heute noch in dem Holz aber auch als Blindgänger im Untergrund. Für die Forstarbeiter eine gefährliche Arbeit, denn es ist nicht abzusehen, wie sich die Erschütterungen bei Forstarbeiten auf die Blindgänger auswirken. Zudem ist die Verwertung der Bäume nicht möglich. Jetzt sollen Teile des Gebietes der Natur überlassen werden eine neue Oase für Molche und andere Amphibien werden. Ein Vertrag mit der Naturschutzbehörde regelt, welche Arbeiten in diesem Gebiet durch das Erzbischöfliche Forstamt geleistet werden sollen und was der Natur einfach überlassen wird. Vertragsnaturschutz heißt das in der Fachsprache.

Mit solchen Projekten und der naturnahen Bewirtschaftung der Forstflächen soll der Wald als Lebensraum für zahlreiche Wildtiere, als Naherholungsraum für die Menschen, aber auch als Wirtschaftsraum für das Ordinariat erhalten werden. Zur Umsetzung dieser Ziele hat sich die Forstabteilung der Erzdiözese ein Leitbild erstellt. (Eventuell kann das Leitbild verlinkt werden. Nach Auskunft von Herrn Vollmar ist es von der Amtschefin genehmigt.)
 
Text: Christian Moser, Leiter Contentmanagement, Münchner Kirchenradio, Sankt Michaelsbund, August 2022 
 

 

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Der Wald-Wandler

Torsten Ehnle ist Förster und Leiter des Forstreviers 3 des Erzbistums München und Freising.  Eine Reportage über katholische Wälder, den Borkenkäfer und Bäume im Kampf gegen den Klimawandel.

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