„Coronakrise verschärft Ungleichheiten“

Kardinal Marx warnt vor wachsenden sozialen Spannungen in der Gesellschaft
München, 10. Juli 2020. Kardinal Reinhard Marx hat davor gewarnt, dass sich durch die Coronakrise die sozialen Spannungen in der Gesellschaft verschärfen werden. „Die Ungleichheiten werden nicht kleiner werden, sie werden größer werden – sie waren vorher schon groß“, sagte der Erzbischof von München und Freising am Donnerstagabend, 9. Juli, in der Katholischen Akademie in München. Der Austausch mit Akademiedirektor Achim Budde war die erste öffentliche Diskussionsveranstaltung des Kardinals seit Beginn der Coronakrise.
 
In Krisen sei es oft so, dass diejenigen profitierten, die ohnehin in saturierten Verhältnissen lebten, sagte Kardinal Marx. Aktuell werde beispielsweise die Bedeutung von Pflegekräften und Beschäftigen im Einzelhandel betont – „aber wir müssen langfristig schauen, ob sie dann auch wirklich zu denen gehören, die durch die Krise an Bedeutung gewinnen“. Insgesamt mache ihm Sorgen, dass Chancen zunehmend ungleich verteilt seien. „Im Bildungsbereich ist das ja offensichtlich“, so der Erzbischof: „Die Unterschiede werden größer zwischen den Kindern, die zuhause Hilfe haben, und sei es nur, was die technischen Dinge angeht, und denen, bei denen das so nicht der Fall ist, durch die sozialen Verhältnisse oder die Bildungssituation.“
 
Das seien „Anzeichen dafür, dass die Spannungen steigen könnten“, sagte Kardinal Marx. „Ich bin froh, dass Populisten aktuell nicht so en vogue sind, weil jetzt Politiker gefragt sind, die die Probleme tatsächlich auch lösen. Aber nach der Krise, wenn die Ungleichheit sichtbar wird, wenn deutlich wird, dass manche ihren Job für immer verloren haben, ihre Zukunftsidee, dass ihre Lebenspläne endgültig hinüber sind – dann wird die Spannung vielleicht größer, das ist meine Sorge.“
 
Auch die globale Situation müsse stärker in den Blick genommen werden, mahnte der Erzbischof an, das sei durch die Coronakrise noch deutlicher geworden: „Wenn wir auf Afrika schauen – der Kontinent wird wahrscheinlich um Jahrzehnte zurückgeworfen, und dann steigt die Ungleichheit dramatisch an.“ (gob)