„Die größte Geschichte aller Zeiten“

Ökumenischer Eröffnungsgottesdienst zum Auftakt der Passionsspiele Oberammergau
mit Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und Kardinal Reinhard Marx
München, 14. Mai 2022. Die Passionsspiele Oberammergau zeigen laut Kardinal Reinhard Marx „die größte Geschichte aller Zeiten“. Sie seien „ein großes Geschenk“ für viele Menschen, sagte der Erzbischof von München und Freising bei dem ökumenischen Eröffnungsgottesdienst für die Passionsspiele, den er gemeinsam mit dem evangelischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm am Samstag, 14. Mai, im Oberammergauer Passionstheater feierte. Wer die Passionsspiele verfolge, sei „eingeladen, die Welt mit den Augen Jesu von Nazareth zu sehen und zu glauben, dass diese Blickrichtung hinweist auf Gott selbst“, sagte Kardinal Marx: „Schauen wir, was er sagt, wie er gelebt hat, dann bekommen wir eine Ahnung, was es bedeutet, wenn wir ‚Gott‘ sagen.“ Es gehe nicht nur um ein Spiel, sondern „eine Herausforderung, unser Leben danach auszurichten, zu sehen, wie passt meine Blickrichtung mit ihm zusammen“.
 
„Man kann die Passionsspiele in diesen Tagen gar nicht als reines Historienspiel sehen“, betonte Landesbischof Bedford-Strohm: „Viel zu sehr stehen uns die Passionen von heute direkt vor Augen. Menschen in der Ukraine, deren Leben durch einen sinnlosen und verbrecherischen Krieg zerstört wird, die vor ihren zerbombten Häusern stehen, die bittere Tränen weinen über den Verlust lieber Menschen, die ohnmächtig vor der mächtigen Zerstörungskraft der Waffen stehen.“ Der Verzweiflungsschrei Jesu am Kreuz, ‚Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen‘, sei nichts Vergangenes, so der Landesbischof: „Er hallt uns entgegen aus den Ruinen der Geburtsklinik in Mariupol, aus den Luftschutzkellern in Charkiw und – ja – auch aus den Häusern der Mütter der russischen Soldaten, die gerade die Todesnachricht ihrer gefallenen Söhne bekommen haben.“
 
Seit Menschen auf der Welt seien, fügten sie sich Leid zu, ergänzte Kardinal Marx: „Immer wieder bricht das aus – das muss uns erschrecken.“ Die Passionsspiele seien ein Aufruf, „die Gewalt zu überwinden, ihr nicht den letzten Platz zu geben in der Geschichte, sondern einen vorläufigen“. Wenn man diesen Gedanken aufnehme, nehme man die Leidensgeschichte anders wahr, „auch als Auftrag, mitzuwirken, teilzuhaben an der Überwindung der Gewalt“.
 
Anlässlich der Passionsspiele, die bis 2. Oktober stattfinden, bieten die beiden großen christlichen Kirchen ein breites Rahmenprogramm an und laden herzlich zu den Gottesdiensten in der evangelisch-lutherischen Kreuzkirche und der katholischen Pfarrkirche St. Peter und Paul während der Passionsspiele ein, deren Termine unter https://oberammergau-evangelisch.de/passion und https://www.erzbistum-muenchen.de/passion-oberammergau/gottesdienste einsehbar sind. Im Gemeindehaus der Kreuzkirche, das in unmittelbarer Nähe zum Passionstheater steht, besteht in der Spielpause jeweils die Möglichkeit zu Gespräch und Begegnung. Beide Gemeinden laden zudem während der Passionsspielzeit zu einem „Offenen Raum“ am Sternplatz (Dorfstraße 26 - 33a) in Oberammergau ein. Dort werden Leitworte des Passionsgeschehens an sieben Stationen sichtbar gemacht als Einladung an die Betrachtenden, Bezüge zum eigenen Leben zu entdecken.
 
Regelmäßig finden während der Spielzeit ökumenische Einführungen in das Passionsspiel statt, bei denen Interessierte erfahren, wie das Spiel sich aus den Anfängen heraus entwickelt und zu seiner heutigen Gestalt gefunden hat. Der Spielaufbau und die wesentlichen Aussagen werden näher untersucht und erklärt. Montags, mittwochs und samstags findet die Einführung mit Bild, Text und Musik aus dem Passionsspiel um 20.30 Uhr in deutscher Sprache (Kleines Theater), um 21 Uhr in englischer Sprache (Kleines Theater) sowie um 21 Uhr in spanischer Sprache (katholischer Pfarrsaal) statt. Zusätzlich am Sonntag, Dienstag, Donnerstag, Freitag und Samstag um 11.30 Uhr in deutscher Sprache (Kleines Theater).
 
Auf einem Passionsweg durch Oberammergau mit Stationen und spirituellen Impulsen können Besucherinnen und Besucher ihren Bezug zur biblischen Passionsgeschichte vertiefen. Führungen finden während der Passionsspiele immer dienstags, donnerstags und samstags statt. Treffpunkt ist jeweils um 10.15 Uhr an der Pfarrkirche St. Peter und Paul. Unter dem Motto „In deine Hände lege ich meinen Geist“ findet in der Kirche immer abends ab 21 Uhr eine Licht-Text-Rauminstallation statt. Im Zusammenspiel der Installation der Künstler Detlef Hartung und Georg Trenz mit dem Kirchenraum und seiner Bedeutung für die Spiele in Oberammergau soll ein Ort konzentrierter Reflexion und Kontemplation entstehen. Drei der „Sieben Letzten Worte“ Jesu am Kreuz werden in den Innenraum der Pfarrkirche als bewegte Lichtinstallation projiziert: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“, „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“, „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“. Die je rund 20-minütigen Vorführungen enden an spielfreien Tagen um 22.30 Uhr und an Spieltagen um 23.30 Uhr (ab 15. August um 22.30 Uhr) mit einem Gebet. Informationen zu diesen und weiteren Angeboten können unter https://www.erzbistum-muenchen.de/passion-oberammergau eingesehen werden.
 
Alle zehn Jahre finden in Oberammergau die Passionsspiele statt. Diese beinahe 400 Jahre alte Tradition geht auf ein Gelübde aus dem Jahr 1633 zurück: 84 Menschen aus dem kleinen Ort starben in dieser Zeit, während des Dreißigjährigen Krieges, an der Pest, woraufhin die Oberammergauer gelobten, alle zehn Jahre die Geschichte vom Leiden, Sterben und der Auferstehung Jesu aufzuführen, damit Gott der Krankheit ein Ende bereite. Der Überlieferung nach ist danach niemand mehr an der Pest gestorben. Die 42. Oberammergauer Passionsspiele sollten im Jahr 2020 stattfinden und mussten aufgrund der Corona-Pandemie um zwei Jahre verschoben werden. (hs/JM/bs)