„Eine Kirche, die ihr Anliegen sieht bei den Wunden der Welt“

Kardinal Marx würdigt NS-Widerstandskämpfer Pater Alfred Delp SJ als Impulsgeber auch für heute
München, 08. Februar 2020. „Eine Kirche, die ihr Anliegen sieht bei den Wunden der Welt, um den Heilswillen Gottes zu verkünden“, ist laut Kardinal Reinhard Marx die Kirche der Zukunft, wie auch NS-Widerstandskämpfer Pater Alfred Delp SJ eine Rückkehr in die Diakonie gefordert habe, also zum Dienst an den Menschen. In der jetzigen Umbruchs- und sogar Krisenzeit, in der danach gefragt werde, wie es mit der Kirche weitergehe, was ihr Auftrag sei, „kommt ein starkes Licht von Delp“, sagte der Erzbischof von München und Freising am Samstag, 8. Februar, bei einem Gottesdienst in der Pfarrkirche Heilig Blut in München-Bogenhausen im Gedenken an den 75. Jahrestag der Hinrichtung Delps. Eine Kirche, die um sich selbst kreise, die nur sich selbst erhalten wolle, komme nicht aus dem Denken, das auch der ignatianisch geprägte Jesuit Delp eingefordert habe. „Nur, wenn wir vom Geheimnis Gottes ausgehen, finden wir Lösungen für die Probleme, die Krisen, die Katastrophen der Welt“, betonte Marx. Sich in der Spiritualität zu verankern, sei auch eine wichtige Basis für den Synodalen Weg.
 
Der Kardinal würdigte Delp als „einen Zeugen, der auch heute noch zu uns spricht“. Seine in Gefangenschaft und oft mit gefesselten Händen verfassten Schriften, aber ebenso seine zuvor erstellten Texte rüttelten neu auf. Marx erinnerte auch an Delps Mahnung, wonach die Christen der Zukunft den „Skandal der Trennung der Christen“ nicht hinnehmen würden. „Das ist ein Impuls für uns, nicht zu ruhen, aufeinander zuzugehen, dass die Gesamtheit und Einheit der Christen in unserem Zeugnis deutlich wird“, unterstrich der Erzbischof.
 
Die Nationalsozialisten hätten Delp, der am 2. Februar 1945 in der Hinrichtungsstätte Berlin-Plötzensee gehängt wurde, nicht nur getötet. Indem sie anschließend seine Asche im Wind verstreuten, hätten sie verhindern wollen, dass Menschen sich an ihn erinnerten. „Doch das ist nicht gelungen“, rief der Kardinal den Gläubigen zu. In Delps einstiger Wirkungsstätte Bogenhausen und auf der ganzen Welt werde die Erinnerung an ihn wachgehalten, so Marx, der für dieses Engagement dankte. Auch künftig sei dies wichtig, umso mehr, da die Generation derer, die die Zeit des Nationalsozialismus selbst erlebt hätten, langsam sterbe: „Wir müssen aufmerksam und wachsam bleiben gegen Hass, gegen Überheblichkeit, wo sich Menschen über andere stellen wollen, gegen menschenverachtende Ideologien – gerade wir Christen.“
 
Delp, geboren am 15. Dezember 1907 und als Gymnasiast zum katholischen Glauben konvertiert, trat 1926 in den Jesuitenorden ein. 1939 wurde er Redakteur bei den „Stimmen der Zeit“, der Monatszeitschrift der Jesuiten in München. Im Frühjahr 1942 nahm er Kontakt auf zum „Kreisauer Kreis“ um Helmuth James Graf von Moltke. Anfang Juni 1944 hatte Delp noch Claus Graf von Stauffenberg in Bamberg besucht. Von dessen Verhaftung am 21. Juli, dem Tag nach dem Hitler-Attentat in der Wolfschanze, war er völlig überrascht. Sieben Tage später wurde Delp, der nach dem Verbot der „Stimmen der Zeit“ Kirchenrektor der kleinen Kirche St. Georg in München-Bogenhausen geworden war, verhaftet und des Hochverrats angeklagt. Seine Letzten Gelübde legte er, trotz Drohungen der Gestapo, am 8. Dezember 1944 im Gefängnis ab. (kbr)