Einsatz für Menschenwürde statt Blick in die Schlafzimmer

Diözesanratsvorsitzender Tremmel fordert Christen zu Engagement im gesellschaftlichen Diskurs auf
Diözesanratsvorsitzender Hans Tremmel
Diözesanratsvorsitzender Hans Tremmel (Foto: Kiderle)
München, 3. Juli 2019. Der Münchner Diözesanratsvorsitzende Hans Tremmel hat davor gewarnt, sich als Kirche aus dem gesellschaftlichen Diskurs zurückzuziehen. Statt sich „nach wie vor“ für die „Schlafzimmer von reifen und eigenverantwortlich handelnden Erwachsenen“ zu interessieren, „sollte die Kirche für Erleuchtung sorgen, wo die Würde der Menschen wirklich zur Disposition steht“, sagte er beim Jahresempfang des Erzbistums München und Freising am Mittwoch, 3. Juli, in München. So sollten aus christlicher Sicht „Organspenden weiterhin ein Geschenk des autonomen Subjekts sein“; der menschliche Körper dürfe „auch bei noch so hehren Zielen nicht in die Verfügungsgewalt des Staates geraten“. Einmischung aus der Perspektive des Glaubens sei gefragt, „wenn die Pränatal-Untersuchung des Blutes der Schwangeren Gefahr läuft, zu einem Abtreibungs-Automatismus zu verkommen, so dass im Fall der Behinderung des Kindes die werdende Mutter sich am Ende rechtfertigen muss, falls sie ihr Kind trotz Trisomie 21 austragen will“, so Tremmel.
 
Dass nach wie vor Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrinken, „ist ein himmelschreiendes Unrecht, bei dem der christliche Aufschrei unverzichtbar bleibt“, betonte der Diözesanratsvorsitzende. Christen müssten auch dafür eintreten, dass „dem dumpfen Populismus, dem dummen Nationalismus, dem erneut aufkeimenden Antisemitismus und dem gewaltbereiten fanatischen Hass nicht Tür und Tor geöffnet werden. Insbesondere unsere jüdischen Freunde und Nachbarn dürfen wir nicht wieder alleine lassen.“
 
„Wir Christinnen und Christen werden inmitten dieser Welt mehr denn je gebraucht mit unserer Botschaft von der Würde jedes einzelnen Menschen“, sagte Tremmel. „Wir können nicht zulassen, dass die Welt ohne uns ihr Ding macht, sonst gewinnen am Ende die Egoisten, die Profitgierigen, die Leuteschinder, die Korrupten, die Verbrecher. Wer, wenn nicht wir, sollte mehr Liebe, Barmherzigkeit, Freiheit, Hoffnung und Gerechtigkeit in die Welt bringen?“ Dabei sei das „Zwischenzeugnis“, das die Gesellschaft den christlichen Kirchen derzeit ausstelle, „prekär: Vertrauen verspielt, Versetzung gefährdet“, kommentierte der Diözesanratsvorsitzende.
 
Mit Blick auf den sexuellen Missbrauch in der Kirche sagte Tremmel, es handle sich um ein „Multi-System-Versagen“, nach dem „nicht mehr alles bleiben kann, wie es ist und wie es war“. Der Diözesanratsvorsitzende forderte: „Es braucht nicht irgendwann, sondern zeitnah sichtbare Veränderungen, damit die Kirche Jesu Christi wieder stärker als solche erkennbar wird. Wir alle müssen vom Reden und Überlegen ins Handeln kommen.“ Das gelte auch für den Synodalen Weg, den die Deutsche Bischofskonferenz initiiert hat: „Weitgehend ergebnislose Gesprächsprozesse hatten wir in den letzten Jahren genug.“ Im Namen der demokratisch gewählten Laienvertreter sagte Tremmel zu, die Bischöfe „konstruktiv auf dem ergebnisoffenen und ehrlichen Weg notwendiger Veränderungen“ zu begleiten.
 
Zum traditionellen Jahresempfang des Erzbischofs von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, und des Diözesanrats der Katholiken der Erzdiözese waren rund 600 Vertreter aus Kirche, Gesellschaft und Politik in das Kardinal-Wendel-Haus in München gekommen. Stadträtin Evelyne Menges (CSU) und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprachen Grußworte. (gob)