Kardinal Marx: „Klein sind wir und zerbrechlich“

Gottesdienst mit Kulturschaffenden im Liebfrauendom zur Feier des „Aschermittwochs der Künstler“
München, 22. Februar 2023. Kardinal Reinhard Marx hat beim „Aschermittwoch der Künstlerinnen und Künstler“ am Mittwochabend im Münchner Liebfrauendom an die Verletzlichkeit der Menschen erinnert. „Wie klein sind wir und zerbrechlich – das gilt unser ganzes Leben“, sagte der Erzbischof von München und Freising in seiner Predigt. Marx erinnerte an aktuelle Katastrophen wie den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine oder das verheerende Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet. Die Bilder aus diesen Regionen hätten ihn „unglaublich erschüttert“. Der Kardinal gab zu: „Manchmal muss ich wegsehen, wenn tote Kinder unter den Trümmern geborgen werden.“ Aber auch die Hinrichtung der Mitglieder der „Weißen Rose“ am Tag genau vor 80 Jahren lasse ihn verstehen, „wenn Leute fragen: Wo ist denn euer Gott? Wie ist Gott gegenwärtig?“
 
Marx erinnerte daran, dass Gott sich auf die Seite der Sünder gestellt habe und selbst zur Sünde geworden sei. „Das ist der eine Ort, wo Gott sich finden lässt: unter den Verschütteten, unter den Opfern von Krieg und Gewalt.“ Der andere Ort sei „das Verborgene“, in dem Gott „das absolute Geheimnis“ bleibe: „Wir können Gott in unserem eigenen Herz und unserer eigenen Sehnsucht suchen.“
 
Die österliche Bußzeit mahne besonders dazu, dass Leben und Sterben zusammengehören, so Marx. Zu den Gottesdiensten am Aschermittwoch gehört auch das Ritual der Aschenauflegung. Die Künstlerin Ilaria Igliani, deren Arbeit „Sdraiati“ („Die Liegenden“) einen besonderen Akzent im Gottesdienst setzte, zeichnete denn auch dem Erzbischof ein Kreuz aus Asche auf die Stirn und sprach dazu einen Vers aus dem Buch Genesis: „Bedenke Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst.“
 
Im Mittelpunkt von Iglianis Arbeit steht die Zerbrechlichkeit des Menschen. Während der Corona-Pandemie hatte sie ein Ritual entwickelt: Jeden Tag formte sie aus einem Klumpen Keramikmasse eine kleine, wenige Zentimeter große, menschliche Figur. Die „Sdraiati“ repräsentieren den Gemütszustand der Generation der Kulturschaffenden, der während der Einschränkungen durch die Pandemie in ihrem Heimatland besonders zu spüren war: Die Keramikkörper versinnbildlichen das Gefühl, isoliert und in der Zeit eingefroren zu sein.
 
Die „Sdraiati“ bringen dabei ganz grundsätzlich die Erfahrung des Menschen zum Ausdruck, dass das Leben fragil ist. „Das verwendete Material und die Größe der Figuren betonen die Zerbrechlichkeit. Eine Metapher für das menschliche Wesen, klein und verletzlich“, so Igliani. Die Tonfiguren-Installation ist bis zum Fünften Fastensonntag, 26. März, in der Bartholomäuskapelle des Liebfrauendoms zu sehen.
 
Der „Aschermittwoch der Künstler“ wurde von dem katholischen Schriftsteller und Diplomaten Paul Claudel nach dem Zweiten Weltkrieg in Paris begründet. Er wird mittlerweile in mehr als 100 Städten weltweit gefeiert. Mit dem Aschermittwoch beginnt die 40-tägige Fastenzeit, eine Zeit der Umkehr und Buße, in der sich die Gläubigen auf das Osterfest vorbereiten. (uq)