Marx fordert Einsatz für „weltweite Geschwisterlichkeit“

Erzbischof von München und Freising verweist in Radiobeitrag auf neue Papstenzyklika „Fratelli tutti“
München, 9. Oktober 2020. 30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer ruft Kardinal Reinhard Marx zum Einsatz für eine weltweite Geschwisterlichkeit auf, wie sie Papst Franziskus in seiner neuesten Enzyklika „Fratelli tutti“ fordert. In drei Jahrzehnten sei zu sehen gewesen, „dass es nicht ausreicht, Grenzen formal aufzuheben. Es ist eine Aufgabe für uns alle, die Versöhnung und Umkehr und beständigen Wandel und echten Dialog fordert“, sagt der Erzbischof von München und Freising in einem Radiobeitrag für die Reihe „Zum Sonntag“ des Bayerischen Rundfunks, der am Samstag, 10. Oktober, gesendet wird. „Die Religionen sollen nicht für Abgrenzung und Mauern missbraucht werden, sondern Werkzeuge des Friedens sein.“
 
Nach dem Mauerfall habe er fest gehofft, so Marx, „dass mit dem Ende des Ost-West-Konfliktes wirklich eine neue Ära des Friedens in der Welt anbrechen könnte“. Der Fall der Berliner Mauer sei ein „bewegendes Symbol“ dafür geworden, „dass eine Politik der Abgrenzung, der Abschreckung, der Angst überwunden sei“. Dieser Moment habe laut Marx die Chance für weltweite Einheit und Frieden geborgen: „Doch wir wissen, dass es nicht so gekommen ist.“ Stattdessen gebe es unzählige „Krisen, Konflikte, Verfolgung, und Bürgerkriege in aller Welt“, weshalb Papst Franziskus in seiner neuen Enzyklika sogar von einem „Weltkrieg in Stücken“ spreche: „Auch wenn das eine drastische Wortwahl ist, teile ich seine ernste Sorge um die Einheit der Menschheitsfamilie und den Frieden in der Welt“, so Marx.
 
Konflikte, Gewalt und Krieg gehen laut dem Kardinal nicht auf einzelne Ursachen und Schuldige zurück, vielmehr trügen „wirtschaftliche und ideologische Gründe ebenso bei wie geostrategische und politische Ursachen. Und auch religiöse Gründe spielen eine Rolle“. Um dem entgegenzutreten, müsse all jenen widersprochen werden, die „Religion und Glauben instrumentalisieren wollen für Fundamentalismus, Terrorismus und Krieg“. Der Glaube dürfe Menschen „nicht gegeneinander aufbringen, sondern hilft dabei, dass wir uns in unserer Suche nach Gott alle als Schwestern und Brüder begreifen“.
 
In „Fratelli tutti“, was aus dem Italienischen übersetzt „alle Brüder“ bedeutet, betone Franziskus die Geschwisterlichkeit aller Menschen vor Gott an der alle „Unterschiede, die es zwischen Menschen gibt, nichts ändern“ könnten. Es sei naiv, diese Unterschiede nicht ernst zu nehmen, so Marx. Jedoch mache Papst Franziskus klar: „Unterschiede sind kreativ, sie erzeugen Spannungen und in der Auflösung einer Spannung liegt der Fortschritt der Menschheit.“ (hs)
 
 
Hinweis:
Der Radio-Beitrag von Kardinal Marx wird am Samstag, 10. Oktober, um 17.55 Uhr im zweiten Hörfunkprogramm des Bayerischen Rundfunks gesendet.