„Ohne euch Betroffene wären wir noch nicht so weit“

Kardinal Marx trifft in Bozen Missbrauchsbetroffene, die mit dem Fahrrad nach Rom pilgern, und dankt ihnen für ihr Engagement in der Aufarbeitung und der Auseinandersetzung mit Missbrauch
Bozen, 9. Mai 2023. Kardinal Reinhard Marx hat Missbrauchsbetroffene, die derzeit mit dem Fahrrad von München nach Rom pilgern, am Dienstag, 8. Mai, in Bozen getroffen und ihnen für ihr Engagement gedankt: „Die Idee dieser Fahrt ist gut und großartig“, die Teilnehmenden rückten das Thema Missbrauch ins Blickfeld und trügen bei zur „Bewusstseinsbildung in die Kirche und in die gesamte Gesellschaft hinein“, sagte der Erzbischof von München und Freising. Die Radpilgerreisenden trafen am Dienstagnachmittag in Bozen ein, wo sie von Vertreterinnen und Vertretern der Diözese Bozen-Brixen und der Erzdiözese München und Freising, staatlichen Vertreterinnen und Vertretern sowie Expertinnen und Experten empfangen wurden. Am Abend fand ein intensiver Austausch zur Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt statt, an dem auch Kardinal Marx und Ivo Muser, Bischof von Bozen-Brixen, teilnahmen.
 
Ihre Pilgerreise sei eine „Fahrt, die weltkirchliche Aufmerksamkeit erfährt“, gab sich Marx gegenüber den Betroffenen überzeugt und merkte zugleich selbstkritisch an, dass die Kirche die Betroffenen viel zu lange nicht im Blick gehabt habe, wodurch eine wirkliche Aufarbeitung verhindert worden sei: „Ohne euch Betroffene wären wir noch nicht so weit!“ Es gehe nun darum, dass sich die „Kirche weltweit auf den Weg macht“ und dass „die Orientierung an den Betroffenen“ nicht nur theoretisch eingelöst werde, sondern auch „persönlich, dass die Betroffenen zu Akteuren werden“.
 
Marx erinnerte daran, dass der Synodale Weg seinen Ausgangspunkt in der Auseinandersetzung mit sexuellem Missbrauch nahm. Bei den Themen der Beratungen handelte es sich laut dem Kardinal um solche, „die uns die Missbrauchsgutachten auf den Tisch gelegt haben“. Das Insistieren der Betroffenen auf eine Auseinandersetzung mit Missbrauch und ihre Belange sei „ein Segen für die ganze Kirche“, versicherte Marx. Es rüttle zugleich die gesamte Gesellschaft auf, aufmerksam zu sein für das Thema, so der Kardinal. Er bedankte sich mehrfach für „diesen Dienst“, den die Betroffenen „der Kirche und der Gesellschaft“ erweisen würden, indem sie den Mut hätten, mit ihrer Geschichte „nach draußen zu gehen“ und davon zu berichten – dies sei „ein unglaublicher Durchbruch“.
 
Eine gemeinsame Andacht im Bischöflichen Ordinariat in Bozen, geleitet von Pfarrer Kilian Semel, Leiter der Stabsstelle Beratung und Seelsorge für Betroffene von Missbrauch und Gewalt in der Erzdiözese München und Freising, sowie Priester Gottfried Ugolini, Leiter des Dienstes für den Schutz von Minderjährigen und schutzbedürftigen Personen der Diözese Bozen-Brixen, stellte inhaltlich das Kunstwerk „Heart“ von Michael Pendry in den Mittelpunkt. Es symbolisiert das Engagement der Missbrauchsbetroffenen für ein neues Bewusstsein im Umgang mit sexualisierter Gewalt im Raum der Kirche und wird in Rom zusammen mit einer Botschaft Papst Franziskus überreicht werden.
 
Am Samstag, 6. Mai, waren die rund 15 Missbrauchsbetroffenen sowie Begleiterinnen und Begleiter vom Münchner Marienplatz aufgebrochen. Ihre Radpilgerreise steht unter dem Motto „Wir brechen auf! Kirche, bist du dabei?“. Unterwegs setzen sich die Radpilger mit sexualisierter Gewalt auseinander und wollen Veränderungen im Umgang mit Betroffenen sowie in der Aufarbeitung anstoßen. An verschiedenen Stationen ihrer Reise treffen sie sich mit kirchlichen und staatlichen Vertreterinnen und Vertretern, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Am Dienstag, 16. Mai, treffen sie in Rom ein, wo sie am Mittwoch, 17. Mai, bei einer Audienz von Papst Franziskus empfangen werden.
 
Organisatoren der Reise sind Dietmar Achleitner, Richard Kick und Kilian Semel vom Betroffenenbeirat der Erzdiözese sowie Robert Köhler von der Initiative „Wir-wissen-Bescheid.de“ des Vereins „Ettaler Misshandlungs- und Missbrauchsopfer“. Die Radpilgerreise wird finanziell und organisatorisch von der Erzdiözese München und Freising maßgeblich unterstützt. Die zehn Fahrradetappen von München nach Rom sind zwischen 60 und 100 Kilometer lang, hinzu kommt ein Ruhetag mit einer Zugetappe. Jeweils aktuelle Informationen finden sich unter www.wir-brechen-auf.de sowie www.betroffenenbeirat-muenchen.de. (bs/ck)
 
 
Hinweis: Journalisten sind am Dienstag, 16. Mai, gegen 15 Uhr zur Ankunft der Radpilger auf der Piazzale Socrate in Rom eingeladen. Um Anmeldung unter pressestelle@erzbistum-muenchen.de oder Tel. 089/2137-1263 wird gebeten.