Das Geheimnis lasst uns künden! Pfarrer Josef Konitzer deutet das Fronleichnamsfest für unsere heutige Zeit

Am 60. Tag nach Ostern feiern die katholischen Christen das Fest des Leibes des Herrn. Das Wort „Fronleichnahm“ leitet sich aus dem Mittelhochdeutschen „Vron“ = „Herr“ und „Lichnahm“ = „Leib“ ab. Es besteht also aus zwei Teilen und bedeutet so viel wie Körper des Herrn, gemeint damit ist also „Leib des Herrn Jesu Christi“. Mit dieser Übersetzung wird deutlich, was damit gemeint ist. Eine Hostie (ein Stück Brot aus einer ungesäuerten Oblate) wird während einer Eucharistiefeier (Danksagung) konsekriert und damit zu einer neuen Bedeutung gewandelt. Also eine gewisse Wandlung inhaltlicher Art findet statt.
Fronleichnam in München 2017
Fronleichnamsprozession in München 2017, EOM Kiderle
Die Einsetzungsworte Jesu Christi beim Letzten Abendmahl sind damit gemeint, die er über Brot und Wein gesprochen hat. Also durch seine Worte bekommt ein Stück Brot, das aus einer großen Menge Moleküle, die wiederum aus Milliarden von Atomen zusammengesetzt sind, plötzlich eine neue Bedeutung für „Homo Sapiens“ (den denkenden Menschen). Es handelt sich hier also um zwei Wirklichkeiten, einerseits um eine, die aus Atomen und Molekülen besteht, und andererseits um eine, die als Information der Worte immaterieller Art ist. Diese zwei Wirklichkeiten werden wortwörtlich bei der Wandlung miteinander in Verbindung gebracht. Dies geschieht, indem der Zelebrant die Einsetzungsworte aktiv spricht. „Hoc est enim corpus meus“ – „Dies ist mein Leib“. Im Mittelalter galten die Wandlungsworte als „das mächtigste Wort“ überhaupt. Mit diesen Worten konnte man ja sinngemäß erreichen, dass das Brot als Sinnbild für Leib Christi verwandelt wird.
 
Die Eucharistie ist eine Feier unseres christlichen Glaubens, in der Gott an uns seine Gegenwart schenkt. Durch die Zeichen der Lebenserhaltung wie Brot und Wein sowie durch die gewissen Wandlungsworte möchte Gott uns zeigen, dass er auf seine Art und Weise bei uns in unserer Wirklichkeit anwesend ist. Übrigens haben die Wandlungsworte über Brot und Wein nicht nur mit diesen irdischen Früchten zu tun, sondern auch mit unserer geistigen Einstellung, die oft mehr auf die Wandlung angewiesen ist als Brot und Wein. Und noch ein anderer Aspekt steckt in der Wandlung: So wie wir einerseits in der Welt der Materie und Energie ohne gewisse Einnahme von Energie durch Früchte der Welt und menschlicher Arbeit nicht überleben können, sind wir andererseits auf das Wort des Lebens, auch auf das Wort Gottes und seine Beziehung im geistigen Sinn angewiesen.
 
Die beiden Wirklichkeiten werden somit in der Eucharistiefeier angesprochen, sowohl die messbare Wirklichkeit der Materie als auch die enorme Kraft des Geistes in Form des Wortes und seiner Bedeutung. Verfolgt man den Prozess konsequenterweise weiter, kommt man zu der Schlussfolgerung: Das, was wir physikalisch essen und konsumieren, macht uns, unseren Körper, aus und verändert uns (beziehungsweise ihn) ständig. Doch ohne Informationen (ohne geistige Inhalte) wäre das körperliche Gebilde eines Lebewesens völlig sinnlos. Worte besitzen Macht, manches herzurichten und manches auch zu zerstören.
 
Worte, die gesprochen werden, sind Schall. Aber sie bringen gewisse Gedanken zum Ausdruck, die etwas und manches bei den Zuhörern bewegen und erzeugen können. Worte, die nicht gesprochen, sondern aufgeschrieben werden, sind zwar still, aber sie haben auch gewisse Bedeutung über unbegrenzte Zeit hinaus für jemanden, der sie lesen und umsetzten kann. Die Gedanken stehen als immaterielle Wirklichkeit stets im Hintergrund, ob diese gesprochen, geschrieben oder nur gedacht werden. In der heutigen modernen Zeit hat man es inzwischen begriffen, was es heißt, wenn jemand sagt: „Information ist alles!“
 
Weil Gott selbst ein Logos ist (Joh 1,1–18) und Wort bedeutet, schreiben die Menschen diesen Worten und Programmen logischerweise große Bedeutung zu. Kann unsere Welt mit all ihren Sorgen und Problemen auf so ein Ereignis und auf die Kraft des lebendigen Gottes im Eucharistischen Brot verzichten? Das Auge isst mit, sagt der Volksmund! Eine gewisse Vorbereitung auf das Fest des Herrn, der in der sichtbaren Gestalt einer konsekrierten Hostie und damit mit all den Informationen seiner Frohen Botschaft auf den Straßen unseres Alltags den Menschen begegnen möchte, gehört immer noch zur Selbstverständlichkeit von zahlreichen Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und ganz besonders von unseren Gebirgsschützen einfach dazu. Vor diesem Hintergrund haben die Fronleichnamsprozessionen an Bedeutung nichts verloren, im Gegenteil! In unserem Pfarrverband Zugspitze, zu dem Garmisch, Grainau und Burgrain gehören, haben wir trotz des akuten Personalmangels immer noch drei Fronleichnamsprozessionen, davon zwei an Fronleichnam in Garmisch und Grainau sowie am Sonntag darauf in Burgrain.

Das Fronleichnamsfest möchte uns daran erinnern, dass unser Leben ohne Wandlung gar keine Chance und keine Zukunft hat. Fragt man die Christen heutzutage, was das Wichtigste in einer Eucharistiefeier beziehungsweise in einem Abendmahl ist, wird man in den meisten Fällen sowohl von katholischen als auch von evangelischen Mitchristen als Antwort hören: „Ja die Wandlung!“ Und wenn Sie dann denselben Christen sagen, dass die Wandlung das Wichtigste im Leben ist, bekommen Sie womöglich ein „Vogelzeichen“ mit einem Finger auf den Kopf entgegen gezeigt! So nach dem Motto: „Bei uns wandelt sich nichts außer Brot und Wein!“
 
Text: Pfarrer Josef Konitzer, Leiter des Pfarrverbands Zugspitze,
entnommen aus der Münchner Kirchenzeitung vom Juni 2019, Nr. 24