Sofiia Peretiatko stammt aus der Ukraine und hat Ende 2025 ein Praktikum bei der Abteilung Flucht - Asyl - Migration - Integration im Erzbischöflichen Ordinariat München absolviert. Hier erzählt sie von ihrer Arbeit und von ihrer eigenen Flucht nach Deutschland.
Sofiia Peretiatko, Praktikantin bei der Abteilung Flucht - Asyl - Migration - Integration
Meine einwöchige Praktikumszeit war für mich eine äußerst wertvolle und bereichernde Erfahrung. In dieser kurzen Zeit konnte ich einen tiefen Einblick in die Arbeit mit Migrantinnen und Migranten sowie Geflüchteten gewinnen und besser verstehen, wie wichtig Unterstützung in schwierigen Lebenssituationen ist.
Ich habe viel über Migration aus verschiedenen Ländern gelernt und darüber, welche Schritte unternommen werden, um Menschen bei ihrer Integration in die deutsche Gesellschaft zu begleiten. Besonders beeindruckt hat mich das Thema Kirchenasyl. Dabei konnte ich sehen, wie engagiert sich die Kirche für den Schutz der Menschenwürde einsetzt und wie sie jene unterstützt, die sich in besonders verletzlichen Situationen befinden.
Insgesamt war diese Woche für mich nicht nur eine Gelegenheit, neues Wissen zu erwerben, sondern sie hat mich auch motiviert, mich weiter in diesem Bereich zu engagieren. Ich bin sehr dankbar für diese Möglichkeit und kann sagen, dass es eine rundum wertvolle, lehrreiche und sehr positive Erfahrung war.
Ich komme aus der Stadt Sjewjerodonezk in der Region Luhansk. Seit 2014 lebten wir mit dem ständigen Hintergrund von militärischen Auseinandersetzungen. Sie waren spürbar, aber nie so deutlich, bis der Tag kam, der mein Leben in „davor“ und „danach“ teilte — der 24. Februar 2022. An diesem Tag verwandelte sich meine Heimatstadt vollständig: Panzer auf den Straßen, Soldaten, endlose Autokolonnen, leere Regale in den Geschäften, Angst und Unsicherheit überall. In der zweiten Woche nach Kriegsbeginn wurden Gas, Internet und Wasser abgestellt. Trotz allem wollten meine Familie und ich bleiben — bis Raketen begannen, Wohnhäuser zu treffen. Da gab es für uns nur noch eine Entscheidung: die Flucht.
Unsere Reise begann in einem völlig überfüllten Zug, in dem wir zwei Tage verbrachten. Es waren so viele Menschen dort, dass ich mir eine Schlafkoje mit drei weiteren Personen und einem Hund teilen musste. Nach dem Umstieg in Polen spürte ich zum ersten Mal ein großes Gefühl der Erleichterung: Hilfe, Unterstützung, Essen, Wasser, Kleidung — niemand blieb allein, selbst wenn viele Menschen mit fast nichts angereist waren. In Deutschland angekommen, nahm uns eine Familie auf, die uns mit allem Notwendigen versorgte: Kleidung, Essen und vor allem ein sicheres Dach über dem Kopf.
"Deutschland hat mir viele neue Möglichkeiten geschenkt"
Nach dem ersten Schock begann für mich ein neues Leben — das Leben eines deutschen Teenagers. Kurze Zeit später erhielt ich den Brief, dass ich zur Schule gehen soll. Ich war damals erst 14 Jahre alt. In meiner Realschule gab es Vorbereitungsklassen für ukrainische Schülerinnen und Schüler, in denen wir Deutsch lernten. Nach bestandenen Prüfungen wechselte ich in eine reguläre deutsche Klasse.
Zuerst war ich sehr glücklich — eine neue Schule, neue Chancen. Doch diese Freude wurde schnell von Nervosität begleitet, denn ich musste im Unterricht auf Deutsch antworten. Ich kam in die achte Klasse, obwohl ich vom Alter her eigentlich in der zehnten hätte sein sollen. Der Stoff war für mich verständlich, aber wie sollte ich das meinen Lehrern beweisen, wenn mir oft die richtigen Worte auf Deutsch fehlten? Manchmal hörte ich sogar leises Lachen wegen meines Akzents. Das tat weh, aber ich ließ mich nicht entmutigen.
Ich bin gläubige Christin, und mein Glaube trug mich durch all diese Herausforderungen. Ich wusste: Wenn Gott mir die Möglichkeit gegeben hat, zu fliehen und neu anzufangen, dann vertraut er darauf, dass ich diesen Weg schaffen kann. Diese Gewissheit gab mir Kraft weiterzugehen. Ich lernte fleißig Deutsch, arbeitete hart an meinen Schulfächern, setzte mir Ziele und ging Schritt für Schritt auf sie zu. Deutschland hat mir viele neue Möglichkeiten geschenkt — Zugang zu Bildung, Sicherheit, Entwicklung und ein Leben ohne Angst. Dafür bin ich unendlich dankbar.
Heute schaue ich auf meine Vergangenheit zurück und sehe nicht nur die Schwierigkeiten, sondern auch den Weg, der mich stärker gemacht hat. Deutschland ist ein wichtiger Teil meiner Geschichte geworden — einer Geschichte von Hoffnung, Dankbarkeit, Glauben und Überwindung.