„Es ist gut so wie es ist“

Regina Schuhmacher* ist Mutter eines elfjährigen Sohnes. Die 39-Jährige lebt in München und arbeitet in Teilzeit als Office-Managerin. Der Junge geht in die 5. Klasse einer Ganztagsschule. Sein Vater betreut ihn ab und zu nach Absprache an Wochenenden. Bei den Angeboten des Erzbistums für Alleinerziehende erlebt Regina Schuhmacher immer wieder: Wenn es den Eltern gut geht, geht es auch den Kindern gut.
 
Ich hasse es, einen Stempel aufgedrückt zu bekommen. Den Stempel Alleinerziehende zum Beispiel. Ich bin ja nicht nur alleinerziehend. Ich bin auch Mutter, Frau, manchmal bin ich auch einfach nur ich. Trotzdem möchte ich hier den Fokus bewusst auf die Alleinerziehenden richten. Weil wir oft nicht gesehen werden. Und weil viele ganz falsche Vorstellungen davon haben, wie wir leben.
 
Dabei möchte ich betonen: Wir sind zwar alle alleinerziehend, sitzen aber trotzdem nicht alle in einem Boot. Was uns verbindet, ist, dass wir Eltern sind, die alleinerziehend sind. Aber jede und jeder bringt sein eigenes Päckchen mit, seine eigene Geschichte.
 
Alles alleine tragen

Wenn ich von verheirateten oder verpartnerten Freundinnen höre, ich bin ja eigentlich auch alleinerziehend, mein Mann ist die ganze Woche unterwegs, dann macht mich das wütend. Im Alltag sind die Unterschiede zwischen uns vielleicht gar nicht so groß. Aber wir müssen diese ganzen Zwischendinge auf unserem Rücken austragen. Alle Themen, alle Sorgen müssen wir alleine stemmen, auch private Treffen, die Freizeitgestaltung allgemein.
 
Dabei passiert es immer wieder, dass Leute denken, uns wird alles hinterhergeschmissen. Zum Beispiel denken sie, man müsse beim Kindergarten einfach sagen, man ist alleinerziehend und schon hat man einen Platz. Aber das ist nicht so! Bei der Vergabe der Kindergartenplätze stehe ich auf der Liste genau gleichberechtigt mit einem Elternpaar. Oder die Steuer: Es gibt zwar die Steuerklasse für Alleinerziehende. Die ist aber trotzdem schlechter als die in der Doppelverdiener-Ehe-Konstellation, wo einer viel verdient oder der andere ein bisschen was dazu. Auch alles, was die Rentenansprüche angeht, ist eine armselige Nummer für alleinerziehende Mütter. Wir haben doch jetzt schon Altersarmut. Ich mag mir gar keine Gedanken darüber machen, wie das später wird. Denn bei dem Leben, das wir führen, ist keine Altersvorsorge drin.
 
Ich denke, was uns oft schwer fällt – Frauen in unserer Gesellschaft generell und speziell den Alleinerziehenden – ist es, um Hilfe zu bitten. Das haben wir nicht gelernt. In unserer Generation haben wir gelernt, starke, souveräne, selbstständige Frauen zu sein. Bei mir gab es regelmäßig Leute, die mir Hilfe angeboten haben, zum Beispiel wenn es darum ging, den Kinderwagen die Treppe hochzutragen, aber ich habe es abgelehnt, wollte es selber schaffen. Es hat lange gedauert, bis ich Hilfe annehmen konnte. Inzwischen schaffe ich das ganz gut. Aber es braucht immer einen triftigen Grund, einen beruflichen Termin oder etwas anderes Wichtiges. Nur zu sagen, ich brauche Zeit für mich, das ist nicht genug. Wir sind zwangsläufig alleine, das ist Fakt. Aber wir wollen uns auch selbst beweisen, dass wir es alleine können.

Mein Sohn kennt es nicht anders

Mit dem Vater meines Sohnes war ich nie als Paar zusammen. Er hat damals die Vaterschaft anerkannt, aber es gibt keine offiziellen Regelungen zwischen uns. Es muss mit Absprache funktionieren. Und es gab auch Fälle, wo das nicht funktioniert hat, wo ein Wochenende kurzfristig abgesagt wurde, wo Absprachen nicht eingehalten wurden, wo es zum Kontaktabbruch kam. Ich habe keine Garantie, hänge immer ein bisschen in der Luft. Auf der anderen Seite haben wir auch nicht das gemeinsame Sorgerecht. Das gibt mir die Luft, alleine Entscheidungen zu treffen.
 
Der Alltag läuft mal besser, mal schlechter. Natürlich gibt es immer wieder schlimme Einbrüche. Ich habe meinen Sohn sehr depressiv erlebt. Dann frage ich mich schon, was in ihm vorgeht, was ihn beschäftigt. Reiche ich? Sind wir uns zu nah in dieser Ein-zu-eins-Beziehung? Vielleicht geht es um Themen, um Probleme, die er mit mir hat? Wir haben durchaus Phasen, wo ich mir massiv Gedanken gemacht habe, wo es nicht gut lief. Im Moment wache ich oft nachts auf und mache mir Sorgen. Aber letztendlich stellen wir immer wieder fest: Eigentlich ist es für uns beide ziemlich fein so wie es ist. Meinem Sohn geht es gut so. Er kennt es nicht anders. Es ist kein Defizit. Für ihn ist das, was wir haben, Normalität. Es läuft gut, es darf so sein!
 
Und was mich angeht: Ich arbeite in Teilzeit, habe mir bewusst freie Tage eingeräumt. Das sind meine Tage, da mache ich Sport, ich kann mich verabreden, Arzttermine wahrnehmen, kreativ sein. Ich kann viele Dinge für mein Wohlsein tun. Ich habe früh genug gelernt, dass das ganz wichtig ist, damit ich funktioniere. Wenn ich rund um die Uhr arbeiten würde, würde ich irgendwann vor die Hunde gehen.

Liebe und Urvertrauen

Das mag ich übrigens auch an den Veranstaltungen der Alleinerziehendenseelsorge: Da stehen die Mütter und Väter im Vordergrund. Es sind keine Reisen für Alleinerziehende, sondern für die Frauen und Männer. Wenn es den Eltern gut geht, geht es auch den Kindern gut. Da wird so viel Seelsorge betrieben, im positiven Sinne!
 
Was ich immer wieder zu hören kriege und was mich auf die Palme bringt, ist die Aussage: Ich könnte das nicht. Das soll wie Bewunderung klingen, aber für mich wirkt es wie Hohn. Denn es ist doch so: Ich habe mich einmal entschlossen Mutter zu sein. Ich stehe nicht jeden Morgen auf und hinterfrage das. Das ist genauso, wenn der Partner stirbt oder sich unvermittelt trennt oder man merkt, es klappt nicht mehr. Was bleibt einem denn für eine Wahl? Ich kann es, weil ich es muss.
 
Die wenigsten von uns haben sich ein Leben als Alleinerziehende gewünscht, erträumt oder es darauf angelegt. In den meisten Fällen, die ich kenne, passiert es auf irgendeine Weise. Und die Verantwortung bleibt größtenteils an den Müttern hängen. Damals war mir natürlich nicht bewusst, wie das alles werden würde. Ich habe einfach, sobald ich schwanger war, eine wahnsinnig große Liebe diesem kleinen Etwas gegenüber gespürt. Und es war klar, dieses Kind darf kommen. Es war ein ganz großes Urvertrauen da. Nur so haben wir gerade auch die ersten Jahre so gut hingekriegt. Dafür bin ich bis heute unglaublich dankbar.
 
 
*Name von der Redaktion geändert