Auf der Flucht: Wie Kirche hilft

Kirche hilft

„Ich empfinde es als bereichernd, mit so vielen motivierten Menschen zu arbeiten“, betont Elisabeth Kirchbichler. Die 31-Jährige leitet das Projekt „Fremde annehmen – Flüchtlinge in der Erzdiözese München und Freising begleiten und unterstützen“. Es wurde 2015 im Ressort Caritas und Beratung eingerichtet, das im Erzbischöflichen Ordinariat die kirchliche Flüchtlingsarbeit koordiniert.
 
Zu ihren Aufgaben gehören neben der konzeptionellen Begleitung auch die Mitarbeit bei der Verwaltung der Fördermittel in diesem Bereich sowie die enge Abstimmung mit Trägern und Verbänden. Außerdem hat sie die Geschäftsführung der AG Flüchtlinge inne, bei der unter Leitung des Generalvikars über Schwerpunkte und Ausrichtung der Flüchtlingsarbeit in der Erzdiözese entschieden wird. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt in der Vergabe der konkreten Hilfen und Sachmittel, einem von mehreren Bereichen, die durch die kirchlichen Fördermittel unterstützt werden. Dabei ist sie im Kontakt mit vielen engagierten Haupt- und Ehrenamtlichen, die sich für Flüchtlinge einsetzen. „Antragsberechtigt sind alle kirchlichen Träger in der Erzdiözese“, erklärt Elisabeth Kirchbichler. „Pfarreien genauso wie kirchliche Beratungsstellen oder Einrichtungen der kirchlichen Erwachsenenbildung.“
 
Große Bandbreite an Leistungen
 
Die konkreten Hilfen decken eine große Bandbreite an Leistungen ab. So werden etwa Lernmaterialien für Deutschkurse oder für kreative Angebote bezuschusst sowie kulturelle Integrationsmaßnahmen, wie zum Beispiel für Ausflüge oder Feste, oder auch Fahrtkosten von Ehrenamtlichen. „Wir bezuschussen zum Teil auch Fahrtkosten von Flüchtlingen, um zum Deutschkurs zu gelangen“, berichtet Elisabeth Kirchbichler. „Sie haben zwar oft einen Anspruch auf den Sprachkurs, nicht aber auf die Fahrtkostenerstattung für Bus oder Bahn. Und daran würde die Kursteilnahme oft scheitern.“
 
Elisabeth Kirchbichler weiß aus eigener Erfahrung, was es bedeutet, sich in einem fremden Land zurechtzufinden. Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr in einer Kirchengemeinde in El Salvador hat sie mehrere Jahre im Ausland studiert und gearbeitet. „Ohne Sprachkenntnisse ist es äußerst schwierig, ein selbstständiges Leben zu führen.“ Allerdings müssten viele Flüchtlinge nicht nur die Sprache, sondern oft auch noch eine neue Schrift lernen. „Dabei ist jede Hilfe willkommen, und wir freuen uns, die Haupt- und Ehrenamtlichen bei dieser Arbeit unterstützen zu können.“
 
www.kirche-hilft.de


Eine Brücke in die neue Heimat Fremdsprachige Gemeinden leisten viel für die Integration

In Eritrea regiert eine Diktatur, die junge Männer zum unbefristeten Militärdienst einzieht. Wer erst einmal die Uniform trägt, bleibt lebenslänglich Soldat. Deshalb f lüchten viele junge Eritreer von dort. Sie nutzen Schleichwege durch Äthiopien, den Sudan und die libysche Wüste, und vertrauen sich dann Schleppern für die Fahrt übers Mittelmeer an. Die Boote sind oft kaum noch seetauglich. Nach drei bis vier Monaten sind die Überlebenden in Europa angekommen. „Die Menschen haben viel erlebt, bis sie hier in München ankommen. Wir bieten ihnen einen Ort, an dem sie inneren Frieden und Unterstützung finden können“, berichtet Frewoin Tesfaledet von der eritreisch-orthodoxen Tewahedo-Kirche in München.
 
Diese orthodoxe Gemeinde hatte noch vor wenigen Jahren keine 100 Besucher, heute sind es über 600. Das Christentum ist in Eritrea schon viel länger verwurzelt als in Bayern. Ihr Glaube und die Gemeinde sind für die Flüchtlinge sehr wichtig. Die eritreisch-orthodoxe Gemeinde ist seit 2009 an die katholische Gemeinde St. Gertrud im Münchner Norden angegliedert. Zwischen Orthodoxen und Katholiken gibt es gute Kontakte, etwa beim gemeinsamen Sommerfest. Die orthodoxe Gemeinde leistet viel bei der Integration der Neuankömmlinge. Engagierte Ehrenamtliche wie Frewoin Tesfaledet helfen ihnen bei der Eröffnung eines Bankkontos, dolmetschen bei Arztbesuchen oder unterstützen sie beim Ausfüllen von Formularen.
 
Vor allem aber bauen sie eine Brücke von der alten in die neue Heimat. „Die jungen Leute könnten meine Kinder sein“, weiß Freiwoin Tesfaledet, die selbst Familie hat und als Altenpflegerin arbeitet. „Ich sage den neu Angekommenen immer, dass die Schule und die Sprache das Wichtigste sind.“ Wer zwei oder drei Jahre hier ist, spricht passabel Deutsch und hat dann auch Chancen auf einen Ausbildungsplatz.
 
„Ich bin der Erzdiözese München und Freising sehr dankbar, dass wir von ihr unterstützt werden“, betont die engagierte Frau, die selbst seit 1980 in Deutschland lebt. Diese Unterstützung geht manchmal sogar durch den Magen: Für die Feier des Patroziniums der eritreischen Gemeinde mit allen Gemeindemitgliedern und etlichen Gästen spendete die Erzdiözese das nötige Lammfleisch.

Kunst erleichtert das Ankommen Junge Flüchtlinge entdecken Höslwang mit Kamera und Malerpinsel

Kunstprojekt
Konzentriert führt Muhammed den Pinsel über die Leinwand. Darauf ist der Kirchturm von Höslwang im Landkreis Rosenheim schon gut zu erkennen. Der 23-Jährige hat ihn erst fotografiert und dann die Umrisse mit Hilfslinien skizziert. Jetzt arbeitet er mit kräftigen Farben nach. „Ich wollte von Anfang an den Kirchturm fotografieren, weil er für mich das Wahrzeichen von Höslwang ist. Das Malen war etwas schwieriger, aber mit dem Ergebnis bin ich zufrieden“, beschreibt er seine Erlebnisse. Muhammed ist einer von neun Asylbewerbern, die am Fotokunstprojekt in Höslwang teilgenommen haben. Alle haben unter Begleitung der Kunsttherapeutin und Fotografin Judith Häußler und ihrer Assistentin Lena Kailer zuerst ein typisches Foto aus Höslwang und Umgebung aufgenommen. Schon bei der Suche gab es Kontakte und interessante Gespräche mit den Höslwangern. Fotografiert wurden Landschaftsmotive, Gebäude, ein Traktor und eine Henne.
 
Auf Basis der Fotos wurden dann großformatige Gemälde gestaltet. Dabei hatten alle Beteiligten viel Spaß. Die Materialien für das Kunstprojekt wurden vom erzbischöflichen Flüchtlingsfonds finanziert. Bei einer Vernissage konnten die Künstler ihre Arbeiten vorstellen und mit Höslwangern ins Gespräch kommen. „Solche Projekte fördern die Integration“, weiß Sozialpädagogin Melanie Bumberger. Die Asylsozialberaterin der Caritas betreut rund 250 Flüchtlinge an vier Standorten. Sie kennt den großen Wert der Unterstützung durch Helferkreise und motivierte Ehrenamtliche. Dann können auch Aktionen wie das Kunstprojekt umgesetzt werden.


Was die Erzdiözese für Flüchtlinge tut

Fördermittel
Die Erzdiözese hat für 2015 ein Sonderbudget in Höhe von 5 Millionen Euro für die Arbeit mit Flüchtlingen aufgelegt. Auch 2016 stehen wieder Mittel in Höhe von 5,6 Millionen Euro bereit.
 
Unterbringung
Zahlreiche kirchliche Einrichtungen, vor allem Pfarreien, bieten Unterkünfte für Asylsuchende an. In 82 Objekten waren es 1.453 Plätze (Stand April 2016). Allein in München werden 200 dieser Plätze, bis auf die Betriebskosten, kostenlos zur Verfügung gestellt. In der Immobilienabteilung im Erzbischöf lichen Ordinariat gibt es seit Februar 2016 eine Stelle speziell für die Koordination der Unterbringung von Flüchtlingen.
 
Beratung und soziale Betreuung
In vielen Landkreisen und in München hat die Caritas die Asylsozialberatung übernommen. Der Eigenmittelanteil beträgt rund ein Drittel der Kosten und wird aus Kirchensteuern finanziert. Der Caritasverband betreut als größter Träger mehr als 13.000 Flüchtlinge. Auch die Fachverbände der Caritas und verschiedene Ordensgemeinschaften sind hier aktiv. 13 Träger betreuen in 35 Einrichtungen rund 1050 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.
 
Zentrum für Flucht, Asyl und Integration
Seit November 2015 steht fest, dass im ehemaligen Kapuzinerkloster in der Tengstraße in München-Schwabing ein Zentrum für die diözesane Flüchtlingsarbeit entstehen wird.
 
Bildung und Qualifizierung
Über die katholischen Bildungswerke, die katholischen Fachverbände sowie einzelne Pfarreien bietet die Kirche in der Erzdiözese Bildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten für Asylbewerber und Helfer an.
 
Koordination und Förderung
23 Personen arbeiten in Voll- und Teilzeitstellen als Ehrenamtskoordinatoren. Sie schulen die ehrenamtlichen Helfer, vernetzen bestehende Helferkreise und unterstützen die Gründung neuer Gruppen.
 
Ehrenamt
Neben den hauptamtlich Tätigen engagieren sich tausende Ehrenamtliche aus dem kirchlichen Bereich in der Erzdiözese für Flüchtlinge.
 
Forschung
Die Erzdiözese unterstützt ein interdisziplinäres Flucht- und Migrationsstudienprojekt an der Katholischen Universität Eichstätt mit 1,1 Millionen Euro im Jahr 2016.
 
Gottesdiensträume für orientalische Christen
Den orientalischen Gemeinden, die seit dem Eintreffen christlicher Flüchtlinge stark gewachsen sind, bieten die katholischen Pfarreien verstärkt Räume für Gottesdienste und Begegnungen an.


Foto: Judith Haeusler