Wenn die Adventszeit beginnt, spürt Markus Niggemann sofort, dass sich etwas verändert. Die Lichter, die Musik, die Erwartungen – all das löst Vorfreude in ihm aus, aber auch Druck. „Manchmal stresst mich Weihnachten“, sagt er offen. Zu viele Eindrücke, zu viele Menschen. Deshalb geht er nur auf den Münchner Christkindlmarkt, wenn dort möglichst wenig Menschen unterwegs sind und kein Gedränge herrscht. Doch ganz würde er diese besondere Zeit niemals missen wollen. Denn Weihnachten ist für ihn mehr als ein Fest – es ist ein Gefühl von Geborgenheit, das er jedes Jahr mit seiner Mutter teilt.
Markus ist 42 Jahre alt, lebt in einer Wohngemeinschaft für Menschen mit Behinderung in München und arbeitet bei der Lebenshilfe. Er hat autistische Züge – Rituale und klare Abläufe sind deshalb für ihn wichtig. Seine Mutter weiß das genau. Früher feierten sie Weihnachten zu viert, bis sich die Familie veränderte. „Er hat immer wieder gefragt, warum wir nur noch zu zweit sind“, erzählt sie. Die Emotionen waren zu viel – also verreisten sie jahrelang mit dem Bus, zusammen mit älteren Menschen. Das half. Da musste niemand kochen, da war Struktur. Und manchmal fuhr der Bus sogar zu einer Christmette. „Das war schön. Das haben wir genossen“, sagt Markus.
An Weihnachten verlässt Markus seine WG und verbringt den Weihnachtsurlaub bei seiner Mutter. Es wird gekocht und gesungen - doch wenn etwas zu viel wird, gibt es eine klare Vereinbarung: „Dann gehe ich eine Viertelstunde in mein Zimmer. Danach ist es wieder friedlich.“ Struktur ist für Markus der Schlüssel für ein gelungenes Weihnachtsfest. Das Wichtigste ist, dass Weihnachten „gut läuft“.
Musik spielt auch eine große Rolle. Markus ist zuständig für die Weihnachtslieder – traditionelle und neue. Seine Mutter backt, er überwacht die Uhr. „Dann wird zuerst gesungen und erst danach gibt es die Bescherung.“ Weihnachten ohne Markus‘ CD-Sammlung? Undenkbar.
Der Adventskalender des FC Bayern München. Jedes Jahr. Manchmal mit Gutschein. Dann geht es in den Bayern-Fanshop. Fußball hat zwar nicht direkt mit Weihnachten zu tun – aber ein bisschen schon, meint Markus. Auch die Krippe gehört unbedingt dazu. Er hat sogar eine mit Figuren, die er über einen Adventskalender gesammelt hat. „Das ist vielleicht kindisch, aber mir hat das so gut gefallen“, sagt er. Am Christbaum hängt jedes Jahr ein neues Stück – manchmal eine Lampe, manchmal eine Kugel. Unaufgeregt, aber liebevoll.
Natürlich die Bescherung am Heiligen Abend. Er überlegt noch, was er sich dieses Jahr wünscht. Wahrscheinlich etwas mit Fußball. Vielleicht ein Abo für Spiele. Aber sicher ist: Es soll etwas sein, das er wirklich braucht. Denn: Weihnachtsgeschenke müssen sinnvoll sein. Nach der Bescherung kehrt dann langsam Ruhe ein. Nach dem Essen – oft Ente, manchmal auch Würstchen mit Kartoffelsalat – wird es stiller.
Markus zeigt: Weihnachten muss nicht laut sein. Es darf auch ruhig sein, strukturiert, ehrlich – und voller kleiner Dinge, die man liebt. Man muss Weihnachten nicht verstehen, um es zu fühlen. Und vielleicht ist das seine besondere Gabe.
Paul Hasel, Redakteur Sankt Michaelsbund