Sternenhimmel

„Weihnachten ist für mich ein Fest der Sinne“ Wie Martina Hell als blinder Mensch die Advents- und Weihnachtszeit erlebt

Martina Hell an ihrem Arbeitsplatz im Münchner Ordinariat
Für Martina Hell beginnt Weihnachten nicht erst am Heiligen Abend, sondern mit dem ersten Adventssonntag. Dann wird es in ihrer Familie bewusst ruhiger. „Wir nehmen uns Zeit füreinander“, sagt die geburtsblinde IT-Mitarbeiterin im Münchner Ordinariat, die gleichzeitig als Schwerbehindertenvertreterin arbeitet. Mit ihrem Mann – ebenfalls blind – und der zehnjährigen Tochter lebt sie im Landkreis Ebersberg.

 

Weihnachten mit allen Sinnen – auch ohne Sehen

Der Advent hat für sie eine besondere Atmosphäre, geprägt von Gerüchen, Berührungen und Ritualen. „Ein echter Adventskranz, ein echter Baum – das ist für mich wichtig. Der Duft von Tannengrün gehört einfach dazu.“ Optische Weihnachtsbeleuchtung hingegen nimmt sie nur wahr, wenn jemand sie darauf hinweist. Jahrelang war ihre Tochter ihr „Sprachrohr“, das staunend beschrieben hat, was an ihr sonst vorbeigegangen wäre: Lichterketten, Weihnachtssterne, glitzernde Schaufenster. Heute ist das Mädchen alt genug, um bewusst Aufgaben zu übernehmen – allerdings nur ergänzend. „Sie bleibt in erster Linie Kind. Aber beim Verzieren von Plätzchen oder beim Basteln des Adventskalenders ist sie unsere Expertin für alles Optische.“
 

Familienrituale, die Nähe spürbar machen

Viele Traditionen stammen aus beiden Herkunftsfamilien: adventliche Rituale, der Duft frischer Zweige, gemeinsame Lieder. Am Heiligen Abend steht die Bescherung nie im Mittelpunkt. Stattdessen beginnt der Abend mit einer Geschichte – früher hat Hell sie in Braille, der Blindenschrift, vorgelesen, später ihre Tochter. „Heute ist eher die Frage: Wer darf diesmal vorlesen?“ Danach wird gesungen, oft begleitet von der Gitarre des Kindes.

Kulinarisch wechseln sich die Traditionen aus den Herkunftsfamilien ab: saure Bratwürste aus ihrer oberpfälzischen Familie, Kraut und Schweinswürstchen aus der Familie ihres Mannes. Dieses Jahr jedoch wird es Wild geben – die Schwester kommt zu Besuch, es wird größer gefeiert. Gekocht wird gemeinsam. „Wir organisieren uns da gut, Informationen holen wir uns vorher ein – und dann klappt das.“

Weihnachten ist für Hell auch ein sinnliches Fest. Dekorationen im Haus gehören fest dazu: eine Amaryllis, ein Weihnachtsstern, kleine Figuren. „Wenn ich daran vorbeikomme, spüre ich sie oder rieche die Pflanzen – das schafft für mich eine weihnachtliche Stimmung.“

Zu den schönsten Erinnerungen gehört das erste Weihnachten mit ihrer Tochter. „Wir hatten kaum Bilder von uns als Familie. Also sind wir spontan zur Nachbarin gegangen – am Abend des 24. –, und sie hat ein paar Fotos gemacht. Das war so herzlich und unvergesslich.“

Was sie sich für dieses Jahr wünscht? „Frieden – und dass wir als Familie weiterhin so zufrieden miteinander leben.“ Weihnachten, sagt sie, sei für sie weniger ein Fest der Augen als eines der Nähe, der Wärme und der gemeinsamen Zeit.

Paul Hasel, Redakteur Sankt Michaelsbund