„Dieser Ungeist zieht uns nur nach unten“

Kardinal Marx warnt bei Gottesdienst zu Ehren von Pater Mayer vor Radikalisierung junger Männer
München, 3. November 2025. Kardinal Reinhard Marx hat betont, dass völkischer Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus so stark im Widerspruch zum Evangelium stünden, dass getaufte Christen niemals auf einen solchen Weg kommen dürften. „Wir haben alle geglaubt, dass diese Gefährdungen endgültig vorüber sind. Sie sind es nicht! Die Völker in zwei Klassen einzuteilen und die Menschen, die zu uns kommen, zu entrechten und an die Seite zu drängen – all das ist wieder da“, erklärte der Erzbischof von München und Freising bei einem Gottesdienst anlässlich des 80. Todestags des Seligen Pater Rupert Mayer am Montag, 3. November, in der Bürgersaalkirche in München.
 
In seiner Predigt hob Marx hervor, dass der 1945 verstorbene Jesuitenpater, der besonders für sein soziales Wirken und sein Eintreten gegen den Nationalsozialismus verehrt wird, hellwach für die besondere Spiritualität gerade von Männern gewesen sei. Denn gerade die häufig als männlich wahrgenommenen Eigenschaften wie Kampfbereitschaft und Risikofreude liefen in unserer Zeit wieder Gefahr, verzerrt zu werden: sich über andere zu erheben, andere zu unterdrücken, über andere herrschen zu wollen. „Manche sprechen von einer toxischen Männlichkeit, und da ist etwas dran“, so der Kardinal. Er verwies darauf, dass heute mehrheitlich wieder junge Männer an den radikalen Bewegungen beteiligt seien, an Kämpfen, Vergewaltigungen und Erniedrigungen. „Deshalb hat Pater Rupert Mayer versucht, die Männer auf einen Weg zu führen, der dem Evangelium entspricht.“ Er sei kein harmloser Seliger gewesen, sondern ein kämpferischer Geist, der etwas gehabt habe, „was heute wieder dringend notwendig ist: eine tiefe Frömmigkeit, verbunden mit dem Einsatz für die Armen und Kranken. Das ist der Geist, der unsere Zukunft ist! Der andere Ungeist zieht uns nur nach unten.“  
 
Für Marx ist eine solche christliche Spiritualität vor allem von der Klugheit und der Zivilcourage geprägt, die zusammen mit der Gerechtigkeit und der Ausgewogenheit zu den vier Grundtugenden gehören würden. Die Klugheit schaue auf die ganze Wirklichkeit und könne unterscheiden zwischen wahr und falsch – „eine der größten Herausforderungen, vor der wir in Zukunft stehen“. Er könne nicht sagen, so Marx, ob er den Mut und die Zivilcourage gehabt hätte, wie der Jesuitenpater auf einer Versammlung der Nationalsozialisten den Mund aufzumachen. „Mit Feigheit beginnt jede Diktatur – in Russland, in China und anderswo.“ Das Zeugnis von Pater Rupert Mayer sei noch lange nicht zu Ende, so der Kardinal. „Es wirkt weiter in unsere Zeit und inspiriert viele Menschen. Die aktuellen Gefährdungen, die ich mit größter Sorge anschaue, zeigen, dass wir einen solchen Wegbegleiter als Fürbitter und Orientierungshilfe brauchen, gerade in der Umbruchzeit, in der wir heute stehen.“
 
Pater Rupert Mayer (1876 bis 1945) erkannte bereits in den 1920er Jahren die von den Nationalsozialisten ausgehende Gefahr. Nach der Machtergreifung 1933 verteidigte er christliche Grundsätze und erklärte unter anderem öffentlich, dass ein Katholik kein Nationalsozialist sein könne. Er wurde mehrmals verhaftet und inhaftiert. Nachdem sich nach der Haft im KZ Sachsenhausen sein Gesundheitszustand deutlich verschlechtert hatte, wurde er 1940 ins Kloster Ettal verbracht, wo er bis Kriegsende lebte. Im Mai 1945 kehrte Pater Rupert Mayer nach München zurück, am 1. November 1945 erlitt er während seiner Predigt in St. Michael einen Schlaganfall und starb im Krankenhaus. Am 3. Mai 1987 wurde er durch Papst Johannes Paul II. in München seliggesprochen. (hor)