Kardinal Marx: „Danke für den Dienst an der Einheit“

Erzbischof würdigt Diözesanrat sowie scheidenden Vorsitzenden und warnt vor Polarisierungen
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Ohlstadt, 14. Oktober 2022. Den „Dienst an der Einheit“ hat Kardinal Reinhard Marx als wichtigen Auftrag sowohl für einen Bischof wie auch für die kirchlichen Laiengremien benannt. „Wir müssen zusammenbleiben, das wird in den letzten Jahren immer deutlicher, denn Polarisierungen und Spannungen in Gesellschaft und Kirche nehmen zu“, sagte der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, bei der Vollversammlung des Diözesanrats der Katholiken der Erzdiözese am Freitag, 14. Oktober, in Ohlstadt im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. In der eigenen Arbeit und auch auf dem Synodalen Weg gelte es daher, „Polarisierungen zu vermeiden und Brücken zu bauen, auch wenn wir verschiedenen Richtungen haben, damit möglichst viele mitgehen können.“
 
Dabei zitierte Kardinal Marx auch den Begriff des „Synodalen Bischofs“, den er als eigenen Anspruch für sich postuliert hatte: „Ein synodaler Bischof darf nicht nur ein Moderator sein, der sagt: Schauen wir mal, was rauskommt.“ Er müsse nicht nur vorangehen, sondern auch mitgehen mit dem Volk Gottes, um zu hören, was es sagt, und darauf achten, dass niemand zurückbleibe. Der Sinn von Synoden sei seit Anbeginn der Kirchengeschichte, „nicht nach Siegern und Besiegten zu fragen, danach, wer wen ausgestochen hat, sondern Einmütigkeit zu finden, keine faulen Kompromisse, sondern gemeinsame Lösungen“. Marx ergänzte: „Die Extremisten und die Menschen, die Gräben vertiefen und polarisieren, sind nicht die Menschen, die ich unterstützen möchte.“ Auch sie müssten integriert werden, „aber wir müssen im Miteinander bleiben, uns nicht gegenseitig exkommunizieren, den eigenen ,Wahrheitsbesitz‘ herunterfahren und auf den Weg schauen, den der Herr uns aufzeigt“. Auch die Einigkeit und das Miteinander von Welt- und Ortskirche seien dabei grundlegend. „Der Synodale Weg kann kein Konzil ersetzen, seine Texte sind keine lehramtlichen Texte, aber wichtige, notwendige, theologisch reflektierte Voten für uns wie auch für die Weltkirche, denn wir sind Teil der Weltkirche“, so Marx.
 
An die Delegierten des Diözesanrats gerichtet sagte der Erzbischof: „Ich freue mich immer auf Ihr Gremium, denn es ist wie ein Eintauchen in die Vielfarbigkeit unseres Erzbistums, in die verschiedenen Richtungen, Gruppen, Generationen, Landschaften.“ Das Volk Gottes werde künftig vielfältiger sein als es war, „aber das ist keine Bedrohung, sondern eine Chance“. Er fühle sich vom Diözesanrat angezogen, „weil hier heftig gestritten wird, aber immer in dem Geist: Was können wir gemeinsam tun mit Blick auf das Miteinander in der Kirche? Nicht mit der Frage, was wird aus uns, sondern um die Botschaft vom Reich Gottes sichtbar zu machen. Es geht immer darum, das Evangelium zu verheutigen“. Dafür müssten die Christen eintreten. „Dass wir uns aus dieser Perspektive heraus nicht entmutigen lassen, dafür danke ich Ihnen, auch den neuen Mitgliedern.“
 
Einen besonderen Dank richtete Kardinal Marx an den scheidenden Vorsitzenden des Diözesanrats: „Hans Tremmel war und ist ein Synodaler Vorsitzender gewesen, offen und kritisch.“ Er habe immer wieder versucht, „die verschiedenen Stimmen und Richtungen im Diözesanrat aufzunehmen, die Vielfalt an Meinungen“. Wichtig für einen Vorsitzenden sei, „dass er kein Einzeltänzer ist, der sich mit kurzatmigem medialem Getöse und plumper Polemik ins Licht rückt“, so Marx. Es gelte, „die innerliche Freiheit zu behalten: eine klare Position zu haben, aber keine Polarisierung zu bedienen.“ Auch ein Diözesanratsvorsitzender habe einen Dienst an der Einheit. „Das auch in schweren Zeiten treu durchzuhalten, dafür ein herzliches Vergelt‘s Gott“, sprach er Tremmel zu.
 
 
Seit Herbst 2010 ist Tremmel ehrenamtlicher Vorsitzender des Diözesanrats der Katholiken der Erzdiözese München und Freising. Seine drei Amtszeiten fielen in eine für die Kirche immer wieder schwierige und durch Krisen erschütterte Zeit. Als mahnende Stimme betonte der 58-Jährige vielfach die unbedingte Notwendigkeit, den in der Erzdiözese und der Kirche insgesamt geschehenen, vielfachen Missbrauch transparent aufzuarbeiten und wirkungsvolle Maßnahmen zur Prävention zu schaffen. Im Synodalen Weg der Kirche in Deutschland, der auch unter dem Eindruck der verheerenden Ergebnisse der 2018 erschienenen MHG-Studie begonnen wurde, brachte sich Tremmel engagiert ein. Ihm war ein Kernanliegen, die Kirche auf einem Weg zu mehr Glaubwürdigkeit kritisch zu begleiten und ein gleichwertiges Miteinander von Laien und Klerikern im Sinne einer synodaleren Kirche voranzubringen.
 
Auch in gesellschaftlichen Fragen hat Tremmel während seiner Zeit als Vorsitzender Position bezogen. Den Anfang des Jahres begonnenen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilte er vielfach aufs Schärfste. Während der Hochphase der Corona-Pandemie rief der Diözesanratsvorsitzende die Kirche und alle Gläubigen auf, kreative Lösungen zu finden, um trotz notwendigen körperlichen Abstands Nähe, Hoffnung, und tatkräftige Unterstützung für die Bedürftigen zu geben. Infolge der Migrationsbewegungen ab 2015 mahnte Tremmel eine Neuausrichtung der europäischen Flüchtlingspolitik sowie einen menschenwürdigen Umgang mit Asylbewerbern im Freistaat Bayern an. In der Zeit der Wirtschafts- und Finanzkrise übte er Kritik an kapitalistischen Auswüchsen.
 
In den kirchenpolitischen Diskussionen setzte sich der oberste Laienvertreter für eine Weiterentwicklung der Ehe- und Familienpastoral ein, insbesondere im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. Tremmel warnte zudem davor, die Kompetenzen der Frauen zu ignorieren und forderte ihren stärkeren Einbezug in kirchliches Wirken bei Führungsaufgaben und auch im Bezug auf eine Öffnung des Diakonats. Eine ergebnisoffene Diskussion um den Zölibat und zeitgemäße Kriterien für den Priesterberuf sowie echte Beteiligung von Frauen und Laien in allen kirchlichen Feldern mahnte der scheidende Vorsitzende während seiner Amtszeit an.
 
Der Diözesanrat ist die höchste Vertretung der Laien in der Erzdiözese und über die Pfarrgemeinde- und Dekanatsräte sowie die Verbände demokratisch gewählt. Vor seiner Zeit als Vorsitzender gehörte Tremmel dem Diözesanrat bereits acht Jahre als Einzelpersönlichkeit an. Der Hochschullehrer vertritt das Laienapostolat auch in zahlreichen Gremien auf Bayern- und Bundesebene, unter anderem im Zentralkomitee der deutschen Katholiken.
 
Tremmel wurde 1963 in Vilshofen geboren und engagierte sich schon in seiner Jugend als Ministrant, in der Jugendverbandsarbeit und im Pfarrgemeinderat. Nach dem Theologiestudium an der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Promotion an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg war er zunächst wissenschaftlich tätig, dann als Leiter des Fachbereichs Caritas und Soziale Fachverbände beim Erzbischöflichen Ordinariat München. Seit 2002 ist er Professor für Theologie und Ethik in der Sozialen Arbeit und Leiter der Theologischen Zusatzausbildung an der Katholischen Stiftungsfachhochschule München am Campus Benediktbeuern. Außerdem ist Tremmel Professor für Moraltheologie und Sozialethik im Studiengang Religionspädagogik und Studienleiter des Pastoralkurses der Ständigen Diakone in Bayern. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter. (kbr/hs)