Kardinal Marx: Religion zeigt Notwendigkeit von Unterbrechungen

Erzbischof sieht in Coronapandemie Chance, Blick für den Wert von Religion zu schärfen
München, 11. Juni 2020. Die Einschränkungen infolge der Coronapandemie können nach Ansicht von Kardinal Reinhard Marx dabei helfen, den Blick für den Wert von Religion und öffentlichen Glaubensbezeugungen zu schärfen. „Durch das Bekenntnis zur Wirklichkeit Gottes, die sich auch und gerade ausdrückt in einem Kult, in der sakramentalen Feier, in einer heiligen Handlung, wird unser Alltag durchbrochen, werden die Dinge der Welt nicht einfach fortgesetzt, geht es nicht um Nützlichkeit und Berechnung und persönliches Wohlergehen und Erfolg, um materiellen Gewinn und Verlust, sondern um eine neue Welt, eine neue Schöpfung“, sagt der Erzbischof von München und Freising am Donnerstag laut Redemanuskript bei der Fronleichnamsfeier im Münchner Liebfrauendom. Es gehe um eine „neue Wirklichkeit, die ganz anders ist und von daher unsere Welt, unseren Alltag, unsere Vorstellungen noch einmal in einem anderen Licht anstrahlt, in einen neuen Horizont hineinstellt“.
 
Es drehe sich somit nicht um einen vordergründigen Nutzen, sondern um die Erkenntnis der „Notwendigkeit der Unterbrechung“. Geschähe nicht nur die Verwandlung des Brotes, sondern die Verwandlung unseres Lebens, wäre das eine wirkliche „produktive Unterbrechung“. Dagegen wäre eine in sich geschlossene Welt, in der es nur um Interessen, Nutzen, Berechnungen, Zwecke und Profit ginge, „wohl durch die Reduzierung auf je eigene Interessen bedrohlicher und vielleicht wäre sie auch langweiliger“.
 
„Erst wenn all unsere Worte und all das, was wir tun, in die Stille der Anbetung einmünden, kommen wir dem Ort der wirklichen ‚Unterbrechung‘ nahe“, erinnerte Marx. „An keinem Fest wird das so deutlich wie am Fronleichnamsfest, wo in einem provokativen Zeichen – dem unscheinbaren Stück Brot – die Verwandlung der Welt in den Mittelpunkt gestellt wird. Eine Verwandlung, die über das hinausgeht, was wir machen und herstellen können, eine Verwandlung, die ein großes Geschenk ist.“
 
Der Auftrag als Kirche, als gläubige Menschen sei es, die „produktive und aufrüttelnde Erinnerung an diese andere Welt, an diese verwandelte Welt, die uns in Christus anschaut, wach zu halten und einzubringen“, unterstrich der Kardinal. „Dafür stehen Fronleichnam und die Anbetung und der eucharistische Segen für Stadt und Land. Dafür steht die Kostbarkeit des Sonntags“ – der, wie er hoffe, „bald wieder in gewohnter Weise“ ohne die Einschränkungen infolge der Pandemie gefeiert werden könne. (uq)