Kardinal Marx: "Wir bleiben Universalisten"

Erzbischof von München und Freising betont bleibende Relevanz der Kirche trotz massiver Austritte
München/Tutzing, 9. Juli 2023. Kardinal Reinhard Marx sieht die katholische Kirche angesichts der massiv gestiegenen Austrittszahlen vor immensen Herausforderungen. „Wir sind in einem Transformationsprozess, der gewaltig ist: Es geht um die Zukunft der Religion, nicht nur um die der Kirchen“, sagte der Erzbischof von München und Freising am Samstagabend, 8. Juli, bei einem Symposium über politisches Christentum und christliche Politik zu Ehren des scheidenden evangelisch-lutherischen Landesbischofs Heinrich Bedford-Strohm in der Evangelischen Akademie in Tutzing.
 
Schließlich werde die katholische Kirche „eine Minderheit im westlichen säkularisierten Kontext“, so dass sich die Frage stelle: „Wie kann eine Minderheit etwas für alle sagen?“, sagte Marx und prophezeite: „Die nächsten Jahrzehnte werden ein sehr schmerzhafter Prozess der Selbstvergewisserung des Christentums.“
 
„Alle Menschen sind im Blick: Das vermisse ich oft“, sagte der Kardinal und betonte: „Eine Kirche für sich, das ist eine Häresie. Nur eine Gemeinschaft, die sagt, wir sind für alle da, nur eine solche Kirche kann politische Relevanz haben.“
 
Zu denken, die Kirche werde durch die vielen Austritte kleiner, klarer und profilierter, schrumpfe sich sozusagen gesund, lehne er ab: „Das kann es doch nicht sein“, zeigte sich der Erzbischof überzeugt. Fest stehe aber auch, dass „Mehrheit“ nicht identisch sei mit „Relevanz“ und die Kirche auch als Minderheit ihre Botschaft verbreiten könne. Dabei sei ihm ein Gedanke besonders wichtig: „Das Christentum wird nicht in eine gute Zukunft gehen, wenn wir nicht präsentisch deutlich machen können: Das Reich Gottes ist jetzt!“
 
Die Auseinandersetzung zwischen Christentum und Moderne sei dabei „ein ganz wichtiges Element“, führte der Kardinal weiter aus. Ebenso das „gesamte Feld des Lebens“, mit Themen wie Schöpfung und Klimaschutz: „Da hat die Kirche eine Botschaft, die auch gehört wird.“ Marx erinnerte zudem an die Enzyklika „Fratelli tutti“ von Papst Franziskus und unterstrich: „Wir bleiben Universalisten: Alle Menschen bleiben Brüder und Schwestern. Wenn wir das aufgeben, haben wir den Kern des Christentums nicht gelebt.“
 
„Gottesdienst feiern, in unserer Mitte das absolute Geheimnis feiern: Gott – atemlos, staunend, auch das ist eine politische Botschaft“, erinnerte Marx. Solange die Religion einen Gottesdient feiere, der etwas vom Charakter der Unterbrechung des Alltäglichen deutlich mache, so lange bleibe die Religion frei nach dem Philosophen Jürgen Habermas ein „Stachel im Fleisch der Moderne“. Denn, so bekannte der Erzbischof: „Das macht mir am meisten Angst, dass die Zahl der Gottesdienst-Besuche abnimmt: Wir brauchen lebendige, ‚powervolle‘ Gottesdienste!“ (uq)