Kardinal Marx dankt allen Betroffenen, „dass sie geredet haben und weiter reden“

Podiumsgespräch in der Katholischen Akademie zu Aufarbeitung und Reformbemühungen
München, 18. Januar 2023. Kardinal Reinhard Marx hat allen Missbrauchsbetroffenen gedankt, „dass sie geredet haben und weiter reden“. Der Mut und die Bereitschaft der Betroffenen, Erlebtes zu thematisieren, sei unabdingbar für die Fortschritte, die im Bereich der Aufarbeitung und Prävention von Missbrauch im kirchlichen Bereich bislang erzielt worden seien und weiter erzielt werden müssen, sagte der Erzbischof von München und Freising bei einem Podiumsgespräch unter dem Titel „Von Aufarbeitung und Reformbemühungen: Was haben die Kirchen und ihre Verantwortlichen für die Zukunft gelernt?“. Zwar sei es weiter ein langwieriger Prozess, die Kirche zu erneuern: „Aber ohne Kampf, ohne Einsatz, ohne dass wir uns jetzt engagieren“, ohne intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Missbrauch und den Gremien, die die Anliegen der Betroffenen durchsetzen, „werden wir das nicht erreichen“, so Marx am Dienstagabend, 17. Januar, in der Katholischen Akademie in München.
 
Nach dem Bekanntwerden vielfachen Missbrauchs ab dem Jahr 2010 sei es für ihn schmerzhaft gewesen, zu sehen: „Die Kirche, die du dir wünschst und die du auch sehen möchtest, die gibt es gar nicht – oder nicht so“, sagte der Kardinal. Zwar gab und gebe es „die vielen, vielen, die engagiert arbeiten und ihren Dienst tun“, so Marx. Doch sei ihm klar geworden: „So, wie du dir das vorstellst, ist es nicht. Es gibt diese dunkle Seite.“ Deshalb sei es wichtig, hinzuschauen und „die Kräfte zu stärken, die etwas verändern wollen“. Dies gelte auch mit Blick auf den Synodalen Weg. Die Missbrauchskrise habe Defizite sichtbar gemacht, die im Rahmen des Reformprojektes angegangen werden müssten. Der Synodale Weg sei zwar nicht „die Regierungszentrale für das Erzbistum München und Freising“, so Marx. Doch „das Niveau dessen, was da beschlossen wird, wollen wir umsetzen“. Er könne sich auch vorstellen, so Marx, „dass ich jedes Jahr vor dem Diözesanrat oder einer Synodalversammlung im Erzbistum einen Rechenschaftsbericht abgebe“. Auch weitere partizipative Elemente halte er „nicht für unkatholisch oder unmöglich in der katholischen Kirche“, so der Erzbischof, wenn diese mit dem „vorgegebenen Programm“ des Evangeliums zusammengingen. Eine „synodale Art“ – auch über den Synodalen Weg in Deutschland hinaus – sei aus seiner Sicht die „einzige Art, Einmütigkeit im Voranschreiten zu ermöglichen“.
 
Zur Frage nach einer unabhängigen staatlichen Stelle für Missbrauchsbetroffene sagte der Kardinal: „Wir haben überhaupt nichts dagegen – im Gegenteil“. Das habe er auch im Gespräch mit der bayerischen Staatsregierung zum Ausdruck gebracht. Marx wies auf den Kontakt der Kirche zum Unabhängigen Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung hin. Daraus seien unter anderem die Pläne zur Schaffung von Betroffenenbeiräten und unabhängigen Aufarbeitungskommissionen hervorgegangen. Es sei zu begrüßen, so Marx, „wenn die Erfahrungen, die jetzt da sind, aufgenommen werden und sich dann der Blick weitet auf andere Institutionen“. Es sei nicht Sache der Kirche, dies für andere zu beurteilen. Aber ein unabhängiger Beauftragter auf Landesebene, „könnte mit dafür sorgen, dass die Dinge vorangetrieben werden. Das wäre ganz in unserem Sinne“, so Marx.
 
Bei der Podiumsveranstaltung im Rahmen der Domberg-Akademie-Reihe „Umkehr: Kirchesein angesichts des Missbrauchsskandals“ diskutierten Kardinal Marx, Kai Christian Moritz, Schauspieler, Sänger und Mitglied des Betroffenenbeirats der Deutschen Bischofskonferenz, der Theologe Thomas Söding, Vizepräsident des Synodalen Weges, Maria-Theresia Kölbl, Geistliche Verbandsleiterin des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend Bayern und die SPD-Landtagsabgeordnete Doris Rauscher, Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales, Jugend und Familie sowie Mitglied der Kinderkommission des Bayerischen Landtags. Moderiert wurde das Gespräch von der Direktorin der Domberg-Akademie, Claudia Pfrang. (hs)