Kardinal Marx warnt vor „Erodieren der Demokratie“

Erzbischof von München und Freising: Jeder Mensch braucht Teilhabe an Gesellschaft durch Bildung und Arbeit
München, 22. November 2017. Kardinal Reinhard Marx hat vor einem „Erodieren der Demokratie“ gewarnt, wenn immer mehr Menschen wegen des Mangels an Bildung oder Arbeit nicht mehr an der Gesellschaft teilhaben könnten. Es gelte deshalb, Bildung als „Chance für alle“ zu einem „Schlüsselthema für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft, für die Zukunft unserer Demokratie“ zu machen, so der Erzbischof von München und Freising in einem Festvortrag in München am Dienstagabend, 21. November, bei  der Verleihung des „Hidden Movers Award“. Mit dem Preis zeichnete die Deloitte-Stiftung innovative Bildungsprojekte aus.
 
Wie Bildung sei auch „Arbeit ein Schlüssel zur Teilhabe“ und darin eine „wesentliche Grundbedingung der Demokratie“, unterstrich Kardinal Marx. Er warnte erneut davor, sich damit abzufinden, dass die Digitalisierung in der Wirtschaft zum massenhaften Verlust von Arbeitsplätzen und damit auch zum Verlust „wesentlicher Bezugspunkte der Fähigkeit zur Teilhabe an der Gesellschaft“ führen könnte. Insofern bekräftigte Marx seine Skepsis gegenüber dem Konzept, diesen Verlust durch ein bedingungsloses Grundeinkommen zu kompensieren, ohne den Menschen eine neue Möglichkeit  zur Teilhabe durch sinnverfüllte Arbeit zu geben. Bei den Fragen von Bildung und Arbeit geht es nach der Meinung von Kardinal Marx letztlich um „die Zukunft der Demokratie und der Freiheit“.
 
Marx kritisierte zugleich eine einseitige „Orientierung am Messbaren“ und an der Betrachtung von Bildung als „Anpassungsproblem“. Bildung dürfe nicht nur „künftigen Kapitalverwertungsinteressen“ unterworfen werden, sondern habe vor allem „von dem auszugehen, was Menschen mitbringen“, sagte der Kardinal. Statt nach dem „Trichtermodell“ den Menschen mit Wissen quasi zu befüllen, müsse man „auf den Menschen schauen mit seinem Potential und seinen Fähigkeiten“, so wie auch das christliche Menschenbild „von dem ausgeht, was im Menschen steckt“, so Marx. Eine an christlichen Werten orientierte Pädagogik heiße, „miteinander zu entdecken, was Gott uns mit diesem Menschen erzählen will: Jeder Mensch ist eine Message, die Gott an uns richtet.“
 
Beim Nachdenken über eine Reform der Bildung ist nach Ansicht von Kardinal Marx entscheidend, ein Bildungssystem zu schaffen, das nicht nur Fertigkeiten und technische Fähigkeiten, sondern vor allem auch „die Fähigkeit zu Freiheit und Verantwortung mitfördert“. Marx warnte vor einem „falschen Fortschrittsideal, wonach das Neue immer das Bessere sei“ und „im Recht ist, was sich durchsetzt“. Vielmehr gelte es, immer auch „die sozialen, politischen und ökologischen Kosten“ von Entwicklungen im Blick zu behalten. (ck)