Kardinal Marx warnt vor Missbrauch von Religion

Gottesdienst und Prozession zum Fronleichnamsfest in der Münchner Innenstadt
München, 26. Mai 2016. Kardinal Reinhard Marx hat vor Verzweckung und Missbrauch von Religion gewarnt: „Eine große Gefahr des Menschen ist, den Glauben an Gott für die eigenen Zwecke zu missbrauchen.“ Das gehe „sogar so weit, dass manche sagen, Religion ist ein Problem, ist Teil der Auseinandersetzungen, in denen wir uns befinden, Teil der Abgrenzung der Menschen, des Gegeneinanders“, so der Erzbischof von München und Freising, der auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist, in seiner Predigt zum Fronleichnamsfest am Donnerstag, 26. Mai, in München.
 
Beim Blick in die deutsche Geschichte werde deutlich, „dass es auch immer wieder so war: Christen sind gegeneinander aufgetreten, Gott wurde benutzt zur Durchsetzung der eigenen politischen Interessen, der nationalen Interessen, der wirtschaftlichen Interessen, der persönlichen Interessen. Das hat viele Menschen das Leben gekostet.“ Anlässlich des Reformationsgedenkens im Jahr 2017 müssten katholische wie evangelische Christen daran erinnern, dass „wir alle in dieser Geschichte auch Schuld auf uns geladen haben“, betonte Kardinal Marx: „Natürlich schauen wir jetzt in besonderer Weise auf den Islam und seine Entwicklung, aber wir sollten auch immer wieder auf uns selbst schauen.“ Das Fronleichnamsfest müsse Anlass sein, „mit aller Klarheit jedem Missbrauch des Namens Gottes entgegenzutreten, bei uns selbst und woanders“.
 
Menschen könnten Gott nicht „in unsere Hand bekommen, um ihn zu benutzen und Religion zu verkleiden als ein Instrument der Tradition, der Identität, der Politik, auch der Moral“, sagte der Erzbischof weiter. Stattdessen gehe es darum, dass „er sich uns schenkt und dass von daher alles neu wird“. Deswegen sei auch die Feier der Heiligen Messe „engstens verbunden mit der Caritas. Weder dürfen wir das eine isolieren noch das andere, es ist aufeinander bezogen“, so Kardinal Marx: „So wollen wir aus der Kraft dieser Feier in diese Stadt das Gesicht der Barmherzigkeit mit eintragen.“ Der Erzbischof dankte allen, die sich in vielfältigen Aktionen und Initiativen dafür einsetzen, „die deutlich machen, dass der Glaube an Christus nicht benutzt wird für unsere Zwecke, sondern dass er für uns die Kraft ist, die Barmherzigkeit einzutragen, die notwendig ist, damit wir überhaupt zu einer Gemeinsamkeit in der Kultur kommen.“
 
Rund 10.000 Menschen kamen zum Gottesdienst auf dem Münchner Marienplatz und zur anschließenden Fronleichnamsprozession, die zur Kirche St. Ludwig und wieder zurück zum Marienplatz führte. Anlässlich des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit stand das Thema „Antlitz der Barmherzigkeit“ im Zentrum. Unter anderem gestalteten Vertreter der Caritas, der Flüchtlingsarbeit und von Hospizdiensten den Gottesdienst und die Prozession mit. Angeführt wurde die Prozession auf dem etwa drei Kilometer langen Weg von einem von Jugendlichen getragenen Kreuz, begleitet unter anderem von Ordensangehörigen, Studenten, Mitarbeitern in pflegenden und pastoralen Berufen, Priestern, Diakonen und Ministranten, Vertretern von Staat und Stadt, Ordensrittern, Vertretern der katholischen Räte, von Verbänden und Trachtengruppen. Gottesdienst und Prozession wurden vom Domchor München, der Jungen Domkantorei, der Mädchenkantorei und den Domsingknaben musikalisch gestaltet.
 
Fronleichnam wurde 1264 von Papst Urban IV. zum kirchlichen Fest erklärt. Der Begriff „Fronleichnam“ stammt aus dem Mittelhochdeutschen: „fron“ bedeutet „Herr“ und „lichnam“ meint den lebendigen Leib. An Fronleichnam, dem „Hochfest des Leibes und Blutes Christi“, zeigen Katholiken öffentlich ihren Glauben an die Gegenwart Christi im Sakrament der Eucharistie. Sie tragen dabei das Allerheiligste, Christus in Gestalt einer konsekrierten Hostie, in einem kunstvoll verzierten Schaugefäß, einer Monstranz, durch die Straßen und beten an mehreren Altären um Gottes Segen. (gob)