Kardinal Marx würdigt Romano Guardini als Vordenker für Europa

Tagung zum Leben und Wirken des Seligsprechungskandidaten im italienischen Isola Vicentina
München, 16. August 2019. Kardinal Reinhard Marx hat Romano Guardini als Vordenker für Europa gewürdigt. Der Erzbischof von München und Freising, der für das Seligsprechungsverfahren des Religionsphilosophen verantwortlich ist, hielt am Samstag, 17. August, einen Vortrag im italienischen Isola Vicentina, dem Wohnsitz der Familie Guardinis, zum Thema „Guardini und Europa“. Nach Guardini sei Europa „dazu prädestiniert, den ungebremsten Fortschrittsgedanken bezüglich der naturwissenschaftlichen und dann auch ökonomischen Entwicklung zwar prinzipiell zustimmend, jedoch begrenzend und kritisch zu begleiten“. Ebenso habe Guardini betont, es sei „die ureigene Aufgabe Europas, in angemessener Weise die Würde des Menschen als Individuum und Geschöpf Gottes zu verteidigen und hochzuhalten“, sagte Kardinal Marx. „Wo sind die Gruppen, Institutionen und Akteure, die nicht restaurativ und nostalgisch zurückschauen, sondern im Sinne Guardinis eine Renaissance Europas denken und wagen? Wir Christen sollten auf jeden Fall dabei sein!“
 
Guardini, der als Kleinkind mit seiner Familie von Italien nach Mainz übersiedelte, sah Europa „als die Basis, auf der ich allein existieren könne: hineingewandt in das deutsche Wesen, aber in Treue festhalten die erste Heimat; und beides nicht als Nebeneinander, sondern eins in der Realität ‚Europa‘“. Gleichzeitig sorgte er sich, dass die Differenzierung und Spannungsfülle Europas ihm zum Verhängnis werden könnte. „Man staunt über die prophetische Gabe Guardinis“, kommentierte Kardinal Marx. „Ein Blick auf den Zustand der heutigen Europäischen Union zeigt die bedrückende Aktualität seiner Aussagen. Es dominiert nicht ein gemeinsames Ziel, sondern die kleinen nationalen Interessen.“
 
Mit Blick auf den rasanten wissenschaftlichen und technischen Fortschritt sehe Guardini die Aufgabe Europas in der „Kritik an der Macht aus Sorge um den Menschen“, erläuterte der Erzbischof. „Die Menschen müssen lernen, bestehende Grenzen, seien sie nun ökologischer, sozialer oder ökonomischer Natur, zu akzeptieren. Das bedeutet auch die Anerkenntnis von Grenzen eigener Macht.“ Notwendig seien dafür „strukturelle Veränderungen in Politik und Wirtschaft“.
 
Romano Guardini (1885-1968) war Priester und Professor für Religionsphilosophie und katholische Weltanschauung, zunächst in Berlin, später in Tübingen, von 1948 bis 1962 an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, wo er auch als Universitätsprediger an St. Ludwig wirkte. Der Theologe erreichte in Kirche und Hörsaal eine breite Zuhörerschaft. Er gilt als ein Wegbereiter der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils. Ende 2017 eröffnete Kardinal Reinhard Marx in München die Seligsprechungsverfahren für Guardini und den Publizisten Fritz Michael Gerlich. (gob)