„Orientierungsmarken für eine Wiedergeburt der Kirche“

Generalvikar Klingan eröffnet Sonderausstellungen zum Heiligen Franziskus und mit Werken von Kiki Smith im Freisinger Diözesanmuseum / Kardinal Marx segnet Smith‘ Kapellenskulptur „Mary‘s Mantle“
München, 7. Oktober 2023. Christoph Klingan, Generalvikar der Erzdiözese München und Freising, hat am Samstag, 7. Oktober, im Diözesanmuseum Freising die beiden Sonderausstellungen „San Francesco. Der Heilige aus Assisi“ und „Kiki Smith: Empathy“ eröffnet. Zuvor segnete der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, die für das Museum auf dem Freisinger Domberg geschaffene Kapellenskulptur „Mary’s Mantle“ der deutsch-amerikanischen Künstlerin Smith. „Unsere Kirchen und Kapellen sind eine Einladung an alle“, rief Kardinal Marx dabei in Erinnerung: Sie seien ein Zeichen für „die ausgebreiteten Arme Gottes – alle sind willkommen.“ Zugleich seien die Menschen gerufen, „dort selbst zum Tempel Gottes“ zu werden: „Das lebendigste, das wichtigste Zeugnis ist jeder Mensch, der an den Tisch des Herrn kommt und sich verwandeln lässt.“ So kann nach Ansicht des Erzbischofs auch das Kunstwerk von Kiki Smith betrachtet werden als „eine Einladung, verwandelt zu werden“. Dieser Aspekt sei entscheidend für die Zukunft der Kirche, die laut Marx weniger von den „großen äußeren Dinge“ abhänge, sondern davon, „ob viele Menschen sich verwandeln und sich erneuern lassen. Die hineingehen und dann sagen: Hier werde ich neu inspiriert für meinen Lebensweg.“
 
In seiner Eröffnungsrede machte Generalvikar Klingan im Leben und Wirken des Heiligen Franz von Assisi „Orientierungsmarken“ für eine „Wiedergeburt der Kirche“ aus, wobei mit Kirche nicht „primär die Institution als solche“ gemeint sei, „sondern vor allem die Gemeinschaft der Glaubenden, die sich dem Evangelium verpflichtet weiß und versucht, diese Botschaft mit Leben zu füllen, für sich selbst, für die Mitmenschen, getreu dem Auftrag Jesu für die ganze Welt“. Mit Franz von Assisi beleuchte das Diözesanmuseum einen Heiligen, der „bis heute fasziniert, in all seiner Widersprüchlichkeit, durchaus auch Fremdheit und dann wieder für viele so spürbaren Nähe“, sagte Klingan. Zu den bis heute entscheidenden Aspekten in der Auseinandersetzung mit dem Heiligen zählte der Generalvikar neben „Kontemplation und Mystik, Zeiten der Stille, der Andacht und der Reflexion mit Herz und Verstand“ sowie „der Verbundenheit mit der Kirche“ vor allem die „Schöpfungsverantwortung im Sinne des Bewusstseins der Verbundenheit mit der Natur“, die „Beziehungs- und Freundschaftsfähigkeit“, die „Hinwendung zu den Schwachen“, „Armut im Sinne von Bescheidenheit und Konzentration auf das wirklich Wesentliche“ und „die Kreuzesspiritualität im Sinne auch von Leidsensibilität, noch weiter gedacht Compassion und Empathie – nicht von ungefähr klingt hier der Ausstellungstitel von Kiki Smith an“.
 
Generalvikar Klingan nahm in seinen Ausführungen auch Bezug auf eine Aussage von Papst Franziskus, der mit dem Heiligen Jahr 2025 ein Ereignis ankündigte, das, so die Worte des Papstes, „eine ethische, moralische, soziale und kulturelle Wiedergeburt impliziert“. Offenbar setzte der Papst, so Klingan, auf das Heilige Jahr „ganz große Hoffnungen im Sinne der eben angesprochenen Wiedergeburt der Kirche, wer weiß, vielleicht sogar mehr Hoffnung als auf die dieser Tage in Rom stattfindende Weltbischofssynode mit ausbaufähiger Laienbeteiligung“. In jedem Fall sei eine Wiedergeburt der Kirche zu verstehen ähnlich dem Auftrag, den Franz von Assisi „in einem tiefen mystischen Moment vor dem berühmten Kreuz von San Damiano“ empfing, so Klingan. Dieser Auftrag, der von Christus selbst erging, ließe sich nach Ansicht des Generalvikars so umschreiben: „Sorge dafür, dass meine Kirche wiedergeboren wird, einen neuen Anfang macht, der aber zurückgebunden ist an den Anfang, den ich selbst, Jesus Christus, gemacht habe.“
 
Schließlich verweise auch die Kapellenskulptur „Mary’s Mantle“, die aus Dachziegeln der alten Pfarrkirche Ruhpolding aufgemauert wurde, auf eine Form der „Wiedergeburt“ und biete wie viele andere Ausstellungsstücke des Museums eine Auseinandersetzung mit Themen an, die über den Bereich der Kirche hinausreichten und auch ein „religiös unmusikalisches“ Publikum ansprächen, ist Klingan überzeugt: „Denn „Empathy“ (Empathie) und, wenn vielleicht auch nicht alle, aber doch einzelne der eben genannten Aspekte, die uns San Francesco aufzeigt, sind anschlussfähig für viele, auch in der Welt von heute“. So schaffe das Diözesanmuseum mit seinen vielfältigen Werken eine „in die Zukunft weisende Verbindung von Alt und Neu, von Tradition und Innovation, immer rückgebunden an das Evangelium“, erklärte Klingan.
 
Die Ausstellung „San Francesco. Der Heilige aus Assisi“ versammelt herausragende Werke und hochkarätige Leihgaben vorrangig aus italienischen Museen zu einem der meistverehrten Heiligen der katholischen Kirche. Sie stehen jeweils für zentrale Momente der Bild- und Verehrungsgeschichte des Heiligen: früheste Franziskus-Darstellungen aus dem 13. Jahrhundert wie beispielsweise die berühmte Franziskustafel aus Pescia, die erstmals außerhalb Italiens zu sehen ist, daneben Werke von Tizian über Caravaggio oder Orazio Gentileschi bis hin zu zeitgenössischen Interpretationen in Film, Literatur und Frömmigkeit. Begleitend erscheint ein umfangreicher und reich bebilderter Katalog, der kunstwissenschaftliche Beiträge mit ganz persönlichen Blicken auf den Heiligen vereint und in poetischen Bildern an die Originalschauplätze seines Wirkens führt.
 
„Kiki Smith: Empathy“ zeigt im Erdgeschoss des Diözesanmuseums Arbeiten der 1954 in Nürnberg geborenen und in New Jersey aufgewachsenen Künstlerin aus den vergangenen beiden Jahrzehnten: Skulpturen aus patinierter Bronze und Aluminium, Malerei auf Glas mit Blattgold, Zeichnungen auf Nepalpapier, Kupferdrucke und Collagen, Fotografien und Jacquard-Tapisserien. Hier treffen Bilder von belebter Natur und Harmonie auf Darstellungen von Tod und Leid; Menschen, Tiere, Pflanzen und Dinge sind verbunden in einer permanenten Metamorphose. Die Werke entwerfen Möglichkeiten und Visionen des Verbunden-Seins und des Mitgefühls, der Empathie. Die Künstlerin, auch außerordentliche Professorin an der New York University und der Columbia University, lässt sich bei ihrer Auseinandersetzung mit den existentiellen Fragen des Menschseins von der christlichen Ikonographie und religiösen Erzählungen inspirieren. Die historischen Sammlungen des Diözesanmuseums mit ihren Gemälden, Skulpturen und unzähligen Objekten der Volksfrömmigkeit haben für Smith eine große Faszination. „Ich habe die Theorie, dass der Katholizismus und die Kunst gut zusammenpassen, weil beide an die körperliche Manifestation der geistigen Welt glauben – dass man durch die materielle Welt ein spirituelles Leben hat...“, so die Künstlerin.
 
Mit der vier mal vier Meter großen, acht Meter hohen begehbaren Raumskulptur „Mary’s Mantle“ ist nach Berlinde De Bruyckeres „Arcangelo“ und James Turrells „A Chapel for Luke“ das dritte große zeitgenössische Kunstwerk für das Diözesanmuseum Freising nach dessen Wiederöffnung im Herbst 2022 entstanden. Kiki Smith‘ „Mary’s Mantle“ ist der Schutzmantelmadonna gewidmet, zur Ausstattung der Kapellenskulptur zählt unter anderem ein von der Künstlerin gestaltetes und von der Mayer’schen Hofkunstanstalt München gefertigtes Glasfenster. Der Bau ist aus recycelten Kirchenbibern aufgemauert, Dachziegel, die von der alten Ruhpoldinger Pfarrkirche stammen, und wird von einer Taube gekrönt. Im Inneren schimmert ein Geflecht aus Sternen in weißer Bronze, und an einem Haken an der Wand hängt ein schlichter blauer, in Jacquard-Technik aus Wolle, Baumwolle und Leinen gewebter Mantel, eine Reminiszenz an die Schutzmantelmadonna. Ausgeführt wurde der Bau unter Brückner & Brückner Architekten.
 
Das Diözesanmuseum Freising zählt mit seiner reichhaltigen und bedeutenden Sammlung von Objekten der christlichen Kunst- und Kulturgeschichte zu den weltweit größten religionsgeschichtlichen Museen. Im Herbst vergangenen Jahres war es nach Umbau und umfassender Sanierung wiedereröffnet worden. (ck)
 
 
Hinweise:
Die Sonderausstellungen „San Francesco. Der Heilige aus Assisi“ und „Kiki Smith: Empathy“ sind von 8. Oktober 2023 bis 7. Januar 2024 täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
Neben regelmäßigen Führungen bietet das Diözesanmuseum auch Kurator:innen- und Themenführungen mit Domrektor Marc-Aeilko Aris an, etwa zu „Franziskus und der andere Christus“, „Franziskus und die Schwester Sonne“ oder „Franziskus und die Höhle von Greccio“. Für Donnerstag, 23. November, 17 Uhr ist eine Lesung mit Alois Prinz aus seiner Biografie „Franz von Assisi. Tierschützer, Minimalist und Friedensstifter“ (2023) geplant, am Donnerstag, 30. November, ein Kinoabend, bei dem im Anschluss an eine Führung um 17 Uhr durch die Ausstellung um 18 Uhr der Film „Bruder Sonne, Schwester Mond“ von Franco Zeffirelli aus dem Jahr 1972 gezeigt wird. Weitere Informationen und Veranstaltungen finden sich tagesaktuell auf www.dimu-freising.de.