Ehrengäste und Teilnehmende an den Podien beim Jubiläum 60 Jahre TelefonSeelsorge, 07.10.2022
Ehrengäste beim Festakt 60 Jahre TelefonSeelsorge in der Erzdiözese München und Freising. Foto: Robert Kiderle

„Menschen, die für andere über sich selbst hinauswachen“ TelefonSeelsorge in der Erzdiözese München und Freising feierte 60-jähriges Jubiläum

Monsignore Dr. Siegried Kneißl bei der Predigt in der Pfarrkirche St. Anna.
Monsignore Dr. Siegfried Kneißl bei der Predigt in der Pfarrkirche St. Anna. Foto: Robert Kiderle
Die TelefonSeelsorge in der Erzdiözese München und Freising ist die zweitälteste in Bayern. Sie wurde im Jahr 1962 gegründet; ein Jahr zuvor hatte eine Dienststelle in Nürnberg angefangen. Am vergangenen Freitag feierten die Mitarbeitenden zusammen mit Gästen aus Kirche, Politik und anderen Beratungsstellen ihr 60-jähriges Jubiläum.
 
„Seelsorge beginnt mit dem Wahrnehmen der eigenen Bedürftigkeit – eigene Wunden auszuhalten und die Wunden der anderen zuzulassen. Dann kann ein heiliger Raum entstehen, auch am Telefon“, sagte der Leiter der Hauptabteilung Beratung im Erzbischöflichen Ordinariat, Monsignore Dr. Siegfried Kneißl, in seiner Predigt beim Wortgottesdienst in der Münchner Pfarrkirche St. Anna. Kneißl war für den erkrankten Erzbischof Reinhard Kardinal Marx eingesprungen. Der Dienst bei der TelefonSeelsorge sei „fordernd und anstrengend, aber auch sinnstiftend und beglückend“, betonte Monsignore Kneißl: „60 Jahre TelefonSeelsorge: Das ist kein Grund, sich auszuruhen, aber zu feiern.“
Monsignore Dr. Siegfried Kneißl, Landtagspräsidentin Ilse Aigner und Einrichtungsleiter Alexander Fischhold
Monsignore Dr. Siegfried Kneißl, Landtagspräsidentin Ilse Aigner und Einrichtungsleiter Alexander Fischhold. Foto: Robert Kiderle

Prominente sprachen Sätze von Ratsuchenden nach


Der anschließende Festakt im Bayerischen Landtag stand unter dem Motto „Sichtbar werden“. Prominente wie der „Bergdoktor“ Hans Sigl, Kabarettist Johannes Ringlstetter, Schauspielerin Johanna Bittenbinder und weitere hatten dazu in einer Videobotschaft Sätze eingesprochen, mit denen sich Ratsuchende häufig an die TelefonSeelsorge wenden. Vermittelt hatte dies BR-Moderatorin Caro Matzko, die auch durch den Abend führte.
 
„Seit 60 Jahren helfen Menschen am anderen Ende der Leitung jenen Menschen, die diese Nummer in ihrer Verzweiflung gewählt haben“, hob Landtagspräsidentin Ilse Aigner in ihrem Grußwort hervor. Seelsorge sei eine „Profession“ und werde von Menschen getragen, die „für den anderen über sich hinauswachsen – das ist wahre Nächstenliebe!“ Der Dienst der vielen Ehrenamtlichen bei der TelefonSeelsorge spiegle auch die hohe Einsatzbereitschaft in Bayern wider, sagte Aigner. Jede zweite Person engagiere sich im Freistaat ehrenamtlich.
Auditorium beim Festakt im Bayerischen Landtag
Beim Festakt im ehemaligen Senatssaal des Bayerischen Landtags. Foto: Robert Kiderle

„TelefonSeelsorge arbeitet wie ein Uhrwerk weiter“


Der Einrichtungsleiter der TelefonSeelsorge in der Erzdiözese, Alexander Fischhold, erinnerte angesichts steigender Infektionszahlen daran: „Während alle anderen zumachen, arbeitet die Telefonseelsorge zuverlässig wie ein Uhrwerk weiter.“

Es sei wunderbar, dass gerade in Folge der Lockdowns das Thema psychische Gesundheit in Politik und Gesellschaft angekommen sei. „Und gleichzeitig ist es ja kein neues Thema. Die Kirchen in Bayern haben bereits Ende der 1950er Jahre mit der Planung dessen begonnen, was heute TelefonSeelsorge heißt.“ Der Dienst am Telefon und seit rund zehn Jahren auch per Mail und Chat geschehe oft im Verborgenen. Gerade deshalb werde die TelefonSeelsorge oft früher auf Nöte und Sorgen der Menschen aufmerksam.

Aktuell zeichneten sich die Ängste rund um den Krieg in der Ukraine und Existenznöte aufgrund der Kostenexplosion in der Beratungsarbeit immer deutlicher ab, sagte Fischhold. Umso wichtiger sei es, den Dienst von rund 130 hauptsächlich ehrenamtlich Mitarbeitenden in den drei Dienststellen München, Bad Reichenhall und Mühldorf am Inn für die Zukunft abzusichern.
Podiumsgespräch mit Caro Matzko
Die Podiumsgespräche wurden moderiert von BR-Journalistin Caro Matzko. Foto: Robert Kiderle

Gespräche über den Auftrag der TelefonSeelsorge


Vier kurze Diskussionsrunden widmeten sich anschließend dem Auftrag der TelefonSeelsorge. Sie standen unter den Überschriften: „TelefonSeelsorge macht Not sichtbar“, „TelefonSeelsorge macht Kirche sichtbar“, TelefonSeelsorge macht Zusammenhalt sichtbar“ sowie „TelefonSeelsorge macht Haltung und Engagement sichtbar“.

Auf dem Podium waren neben Verantwortlichen aus dem Erzbischöflichen Ordinariat, Kollegen aus anderen TelefonSeelsorgestellen, Ehren- und Hauptamtlichen aus München auch Politikerinnen und Politiker vertreten: Die Ehrenamtsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung Eva Gottstein, die dritte Bürgermeisterin der Landeshauptstadt München, Verena Dietl, der Münchner Landrat Christoph Göbel und Michael Koller, stellvertretender Landrat aus dem Berchtesgadener Land.

Stadt und Landkreise München sowie der Landkreis Berchtesgadener Land unterstützten die Arbeit der TelefonSeelsorge auch finanziell, 95 Prozent der Mittel stammen aus der Kirchensteuer.
Empfang nach dem Festakt im Bayerischen Landtag
Nach dem Festakt fand ein Empfang in den Räumen des Bayerischen Landtags statt. Foto: Robert Kiderle

365 Tage im Jahr erreichbar

Die Telefonseelsorge in der Erzdiözese München und Freising ist rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr erreichbar. Pro Jahr finden über 36.000 Seelsorgespräche per Telefon statt. Im vergangenen Jahr gab es auch über 4000 Beratungen per E-Mail und Chat.

Menschen in Not- und Krisensituationen erreichen die Telefonseelsorge unter der Rufnummer 0800-111 0 222. Die Beratung erfolgt anonym und gebührenfrei. Wer lieber per E-Mail oder Chat Kontakt aufnehmen möchte, kann sich unter
https://online.telefonseelsorge.de registrieren.