Fronleichnam in München Historische Orte entlang der Prozessionsstrecke

Die Fronleichnamsprozession durch die Münchner Altstadt ist jedes Jahr ein großer Publikumsmagnet. Die Strecke führt vom Marienplatz vorbei an der Residenz mit der Figur der Patrona Bavariae sowie an der Feldherrnhalle und Theatinerkirche direkt am Odeonsplatz. Der ursprüngliche Streckenverlauf führt die Ludwigstraße hinauf bis zu St. Ludwig und kehrt wieder um zum Marienplatz. In den vergangenen Jahren aber haben unterschiedliche Baumaßnahmen in der Stadt dazu geführt, die Strecke ab Odeonsplatz über die Brienner Straße zum Königsplatz umzuleiten. Ein Weg gesäumt von historischen Orten, die wir an dieser Stelle vorstellen.

Marienplatz, Mariensäule

Mariensäule
Mariensäule am Marienplatz
„Es ist für mich tief bewegend, wieder auf diesem wunderschönen Platz zu Füßen der Mariensäule zu stehen.“ So begann Papst Benedikt XVI. am 9. September 2006 sein Grußwort während einer Reise in die bayerische Heimat. Hier, im Herzen Münchens, wurde er – wie es Tradition ist – von den Menschen begrüßt, als er 1977 seinen Dienst als Erzbischof von München und Freising aufnahm, und hier verabschiedete er sich, bevor er 1982 nach Rom ging. Nicht nur für Joseph Ratzinger ist die Mariensäule mit der in Gold gekleideten Bronzestatue der Mutter Gottes bedeutsam: Bayerns tief gläubiger Kurfürst Maximilian I. hatte sie 1638 zum Dank für die Rettung der Städte München und Landshut im Dreißigjährigen Krieg errichten lassen. Seitdem versammeln sich zu Füßen der elf Meter hohen Säule regelmäßig Gläubige auf dem Marienplatz für öffentliche Gebete und Andachten – die Fronleichnamsprozession beginnt hier normalerweise mit einem feierlichen Pontifikalamt.

Die Statue zeigt Maria in der Tradition des Gnadenbildes von Maria Loreto mit dem Jesuskind auf dem Arm und auf einer Mondsichel stehend. Wenngleich es nicht gesichert ist, wird sie dem deutsch-niederländischen Renaissancebildhauer Hubert Gerhard zugeschrieben. Einige Jahre bis 1613 schmückte sie den Hochaltar im Münchner Liebfrauendom. Am 7. November 1638 dann segnete der Freisinger Bischof Veit Adam von Gepeckh die Mariensäule aus Adneter Marmor. Kurfürst Maximilian soll dabei einen lateinischen Weihespruch des Jesuitendichters Jakob Balde gesprochen haben, der auf Deutsch lautet: „Die Sach’ und den Herrn, die Ordnung, das Land und die Religion erhalte deinen Bayern, Jungfrau Maria!“ Altbayern ist schon immer marianisch geprägt, doch die Verehrung Marias als Patrona Bavariae nahm durch den Kurfürsten maßgeblich an Fahrt auf. Als Ort für die Mariensäule hatte er bewusst den Hauptplatz seiner Residenzstadt gewählt – lange bevor jener Marienplatz genannt wurde.

Zu dem Namen kam der damalige Marktplatz erst am 9. Oktober 1854, als die Stadtoberen der Gottesmutter das Wohl Münchens während einer Cholera-Epidemie anvertrauten. Im Laufe der Zeit wurde die Marienstatue zweimal von der Säule entfernt: Im Zweiten Weltkrieg war sie in der Frauenkirche untergebracht. Und 1966 musste sie vorübergehend dem Bau der Münchner U- und S-Bahn für die Olympischen Spiele weichen. Ihre Wiederaufstellung im November 1970 war zugleich eine Erneuerung: Der barocke Sockel und die Säule wurden durch Kopien ersetzt, und die Gottesmutter erstrahlte in neuer Vergoldung. Übrigens galt die Mariensäule lange als Mittelpunkt Bayerns. Heute werden noch Entfernungen im Land von ihr aus gemessen.

Residenz mit Patrona Bavariae-Figur

Patrona Bavariae an Residenz
Patrona Bavariae an der Residenz
Wenn die Fronleichnamsprozession im Anschluss durch die Residenzstraße zieht, senken einige Fahnenabordnungen ihre Banner. Damit erweisen sie der „Patrona Boiariae“, wie die Inschrift auf dem Sockel lautet, ihre Ehre: der überlebensgroßen Gottesmutter und Schutzherrin Bayerns, die an der Westfassade der Residenz thront. Diesmal ist sie nicht gülden wie auf der Mariensäule, sondern grün: Die Bronze-Statue hat längst Patina angelegt. Auch dieses Marienbildnis geht auf Kurfürst Maximilian I. zurück, der in der Zeit konfessioneller Spannungen die Marienverehrung zur Staatsräson machte. Vom Weilheimer Bildhauer Hans Krumper entworfen und von Bartholomäus Wenglein gegossen, wurde die Statue 1616 an der Fassade der heutigen Hofapotheke platziert, unter ihr brennt in einer Laterne das Ewige Licht.

Herrschaftsinsignien weisen Maria auf der Mondsichel als Himmelskönigin aus: In der linken Hand hält sie das Zepter, ihr Haupt ist gekrönt, nicht nur mit einer Krone, auch mit zwölf Sternen. Diese symbolisieren die zwölf Stämme Israels, gleichzeitig steht die Zwölf für Vollkommenheit. Das Jesuskind auf ihrem Arm hält den kreuzgeschmückten Reichsapfel. Ihr Status als Beschützerin wird nochmals in der Inschrift der Kartusche über ihrem Haupt unterstrichen: „Sub tuum praesidium confugimus, sub quo secure laetique degimus“, ist dort zu lesen: „Unter Deinen Schutz fliehen wir, in dem wir sicher und froh leben.“

Während der Schrecken des Zweiten Weltkriegs fand die Statue ihrerseits in den Tiefen der Residenz Schutz. Im Juli 1945 wurde sie aus den Trümmern der eingestürzten Gewölbe bei der Kaisertreppe ausgegraben. Ihre Herrschaftsinsignien hatte sie verloren. Allerdings gab es bald Ersatz: Nachgegossen wurden sie just aus der Bronze des eingeschmolzenen „Ehrenmals“, das die Nazis zum Gedenken an den fehlgeschlagenen Hitlerputsch 1923 an der Ostseite der Feldherrnhalle – und damit fast gegenüber der Gottesmutter – errichtet hatten.

Feldherrnhalle

Feldherrnhalle
Feldherrnhalle am Odeonsplatz
Die Feldherrnhalle direkt am Odeonsplatz ist entsprechend die nächste Station, an der der Prozessionszug auf seinem Weg vorbeikommt. Friedrich von Gärtner errichtete sie 1841 bis 1844 im Auftrag von König Ludwig I., der der bayerischen Armee und ihren siegreichen Feldherren ein Denkmal setzen wollte. Der Ort ist mit Bedacht gewählt: Wer über die Ludwigstraße – damals die neue Prachtmeile – auf die historische Altstadt zusteuert, blickt genau auf den Arkadenbau, den von Gärtner nach dem Vorbild der "Loggia dei Lanzi" in Florenz entwarf. Sein Gegenüber bildet das etwa 1850 errichtete Siegestor am Nordende der Straße.

Für die Statuen wurden erbeutete Kanonenkugeln eingeschmolzen. Sie zeigen zwei wichtige Heerführer, Graf Tilly, der im Dreißigjährigen Krieg wirkte, und Fürst Wrede, der zur Zeit Napoleons Generalfeldmarschall und Berater am Bayerischen Hof war – beide Standbilder wurden von Ludwig von Schwanthaler entworfen. In der Mitte der Halle folgte 1892 das Bayerische Armeedenkmal, das Ferdinand von Miller in Gedenken an den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 schuf. Zwei gewaltige Marmorlöwen wachen seit 1905 an dem Treppenaufgang, geschaffen von Wilhelm Ruemann.

Am 9. November 1923 fand an der Feldherrnhalle der Hitlerputsch sein blutiges Ende. Als damals die Landpolizei Adolf Hitler sowie weitere Putschisten aufhalten wollte, kam es zu einer Schießerei. In der Folge starben 15 Putschisten, ein Schaulustiger und vier Polizisten. Nach der Machtergreifung 1933 stilisierten die Nationalsozialisten den Ort zur Kultstätte. Sie veranstalteten jährlich einen Propaganda-Marsch mit Gedenkfeier. Zudem errichteten sie das „Ehrenmal“, an dem Passanten die Hand zum Hitlergruß heben mussten. Münchner, die das umgehen wollten, schlichen über die Viscardigasse hinter der Feldherrnhalle zum Odeonsplatz, was der Passage den Namen "Drückebergergasserl" einbrachte. Goldene Pflastersteine erinnern daran. Zum Gedenken an die getöteten Polizisten wurde zudem eine Bronzetafel an der Residenz angebracht. Das „Ehrenmal“ dagegen wurde von Münchner Bürgern am 3. Juni 1945 entfernt – und für den Nachguss der Reichsinsignien der Marienstatue an der Residenz verwendet.

Die Prozessionsstrecke in Bildern


Theatinerkirche

Odeonsplatz
Theatinerkirche
Westlich der Feldherrnhalle erhebt sich ockergelb und von weithin sichtbar St. Kajetan mit ihren prägnanten und Schnecken-geschmückten Türmen in den Himmel. Die Gründung der Kirche geht der Überlieferung nach auf ein Gelübde zurück. Die „schönste und wertvollste Kirche“ zu errichten, versprach Henriette Adelheid von Savoyen, wenn sie ihrem Gemahl, dem bayerischen Kurfürsten Ferdinand Maria, endlich einen Erbprinzen gebären sollte. Knapp drei Jahre später war es so weit, am 11. Juli 1662 wurde der spätere Kurfürst Max II. Emanuel geboren – und das Kurfürstenpaar beauftragte den Bologneser Architekten Agostino Barelli damit, eine prachtvolle Kirche gegenüber der Residenz zu bauen. Diese sollte nicht nur als Konvent für den in Italien verbreiteten Theatinerorden dienen, sondern auch den Wittelsbachern als Hofkirche.

Kirche und Residenz verband ein unterirdischer Gang. In der Fürstengruft sind zahlreiche Wittelsbacher beigesetzt, darunter die Stifterin selbst – wenngleich die Herzen der Verstorbenen häufig in der Gnadenkapelle in Altötting ihre letzte Ruhe fanden. Auf Henriettes Wunsch hin orientierte sich Barelli bei seinem Entwurf an der Mutterkirche des Theatinerordens, St. Andrea della Valle in Rom. So erschuf er den ersten Sakralbau im Stil des italienischen Hochbarocks in Altbayern. Anders als beim Vorbild versah Barelli die Kirche neben der Kuppel auch noch mit den beiden 65 Meter hohen Türmen.

Die Grundsteinlegung erfolgte keine zehn Monate nach Beauftragung, am 29. April 1663. Dafür sollte sich die Gestaltung der Außenfassade umso länger hinziehen. Noch während der Rohbauarbeiten überwarf sich Barelli mit dem Bauherrn Antonio Spinelli, Beichtvater Henriettes und Theatiner, und kehrte bald darauf nach Italien zurück. Enrico Zuccalli übernahm die künstlerische Leitung. Als die Kirche 1675 feierlich St. Kajetan geweiht wurde, einem der Gründer des Theatinerordens, war sie keineswegs fertig. Die Türme wurden erst 1696 vollendet. Und erneute Uneinigkeiten führten dazu, dass die Außenfassade erst von 1765 bis 1768, fast 100 Jahre nach der Weihe, von Francois Cuvilliés d. Ä. und seinem Sohn im Stil des Rokokos fertiggestellt wurde.

Mit reichem Stuckdekor spielerisch gestaltet ist auch der Innenraum – dabei stellt er, gänzlich in Weiß gehalten, einen starken Kontrast zum farbfreudigen Äußeren dar. Der Einfluss der Theatiner nahm über die Jahrzehnte ab, im Oktober 1801 wurde das Kloster aufgehoben, St. Kajetan bleib allerdings als Hofkirche erhalten. Im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, wurde die Kirche bis 1955 wieder weitestgehend aufgebaut. Seit 1954 ist sie den Dominikanern anvertraut, die dort als Seelsorger tätig sind und eine kleine Niederlassung haben. Die meisten ehemaligen Klosterräume werden heute profan genutzt: Außer Geschäften ist dort das bayerische Kultusministerium beheimatet.

Ludwigstraße

Ludwigstraße mit Blick auf Siegestor
Ludwigstraße
Die Prozession zieht nun üblicherweise über die Ludwigstraße, die einstige Prachtavenue des jungen Königreichs Bayerns, die einen Hauch von Italien verströmt. Noch als Kronprinz hatte Ludwig I. die Vision von München als moderner Residenzstadt, und so beauftragte er 1816 den Architekten und Antike-Freund Leo von Klenze, die damalige Schwabinger Landstraße zu einer wesentlichen Achse auszubauen und mit repräsentativen Bauten zu säumen. Ihren heutigen Namen erhielt sie am 13. Juni 1822 auf Verfügung des Thronfolgers, der sich damit bereits ein Denkmal setzte.

Im Zug der Erneuerung wurde 1817 das Schwabinger Tor für den Bau des Odeonsplatzes abgerissen, ab 1818 begannen die Bauarbeiten entlang der Straße, die bis 1850 dauerten. Während die Gebäude unter der Handschrift Klenzes im südlichen Teil klassizistisch gestaltet worden sind, gehen die Monumentalbauten im nördlichen Teil auf seinen Konkurrenten und Nachfolger im Amt des Hofarchitekten, Friedrich von Gärtner, zurück, der sich einer neuromantischen Formensprache bediente. Typisch für ihn ist der Rundbogenstil, erkennbar etwa am Gebäude der Bayerischen Staatsbibliothek, am Hauptgebäude der Ludwig-Maximilians-Universität und am Siegestor.

Letzteres markiert das nördliche Ende der Ludwigstraße und korrespondiert, ebenfalls dem bayerischen Heer gewidmet, mit der Feldherrnhalle im Süden. Im "Dritten Reich" nahmen die Nazis einige markante Änderungen vor. Besonders schmerzlich ist der Abriss von Klenzes Herzog-Max-Palais, in dem die spätere Kaiserin Sissi geboren worden war. Stattdessen gab Hitler einen neoklassizistischen Neubau für die Reichsbank in Auftrag, der allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg fertiggestellt wurde und heute die Hauptverwaltung der Bundesbank in Bayern beherbergt.

Während des Krieges wurden die Bauten an der Ludwigstraße teils schwer beschädigt. Nicht alle wurden originalgetreu wiederaufgebaut. Im Zuge des Wachstums der Landeshauptstadt fielen weitere historische Häuser dem Bau des Altstadtrings zum Opfer. Nicht nur durch diese Schneise, auch durch das hohe Verkehrsaufkommen auf der Ludwigstraße selbst hat die Prachtmeile erheblich an Charme eingebüßt. Während der Prozession allerdings ist sie autofrei – und die historischen Gebäude sind feierlich beflaggt.

Ludwigskirche

St. Ludwig, München
St. Ludwig
Weiter im Norden der Ludwigstraße, gegenüber der Einmündung zur Schellingstraße, sticht zur Rechten die Ludwigskirche mit ihren zwei weißen, schlanken Türmen ins Auge. Auch sie wurde im Auftrag von König Ludwig I. errichtet. Der Regent nutzte clever aus, dass im Zuge der Neugestaltung der Ludwigstraße die Pfarrkirche für das Schönfeld, wie das heute zur Maxvorstadt gehörende Gebiet damals hieß, dem Neubau des Königlichen Kriegsministeriums weichen musste. Das war seine Chance, eine repräsentative Kirche für seine Prachtstraße errichten zu lassen. Die Stadtherren waren jedoch widerspenstig, und Ludwig drohte unter anderem mit dem Umzug der Universität, bis sie in den Bau einwilligten.

Wie am Rundbogenstil erkennbar ist, wirkte Friedrich von Gärtner als Architekt. 1829 wurde der Grundstein gelegt, und 1844 wurde die neue Pfarr- und Universitätskirche eingeweiht – Patron ist der Heilige Ludwig, franziskanischer Ordensmann und Erzbischof von Toulouse, der Ende des 13. Jahrhunderts für seinen Glauben auf den Thron von Neapel verzichtete. Das Altarfresko „Das Jüngste Gericht“ stammt von Peter Cornelius und ist das zweitgrößte der Welt. Der Nazarener Cornelius schmückte die Kirche zudem mit Fresken aus, die Ludwig I. bei der Abnahme allerdings als zu überbordend kritisierte, was zum Zerwürfnis der beiden führte. Die Kalksteinfiguren an der Fassade von Ludwig von Schwanthaler zeigen die vier Evangelisten mit Christus.

Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Kirche renoviert, was das harmonische innere Gesamtbild zerstörte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde St. Ludwig allerdings unter Erwin Schleich wieder im Inneren in seinen Originalzustand versetzt. Buchstäblich ihre Krönung erfuhr die Kirche 2007 bis 2009, als notwendige Dachreparaturen dafür genutzt wurden, das Dach in dem ursprünglich von Friedrich von Gärtner geplanten farbenfrohen Mosaikmuster zu decken, das fortan in den Himmel leuchtet.

Brienner Straße

Brienner Straße mit Blick auf Karolinenplatz
Brienner Straße
Aufgrund zahlreicher Baumaßnahmen führt die Prozessionsstrecke seit einigen Jahren nicht mehr über die Ludwigstraße, sondern biegt an der Feldherrnhalle direkt in die Brienner Straße, die als westliche Achse durch die Maxvorstadt führt. Benannt ist sie nach der Schlacht bei Brienne, die am 29. Januar 1814 während der Befreiungskriege gegen Napoleon in Frankreich stattfand - mit preußischer, allerdings ohne bayerische Beteiligung (die bayerischen Truppen griffen erst wenige Tage später ins Kampfgeschehen ein, dann allerdings mit durchschlagender Kraft).

Ihren Namen erhielt die Brienner Straße 1826. Davor existierte sie als Teil des Fürstenwegs, auf dem die Wittelsbacher auf direktem Wege von der Residenz zum Nymphenburger Schloss und zurück kutschiert wurden. Ihren Anfang nimmt die Brienner Straße heute fast unscheinbar zwischen den gewaltigen Gebäuden am Rande des Odeonsplatzes. Dann aber entpuppt sie sich als Prachtstraße, gesäumt von Palais bekannter Architekten, darunter Leo von Klenze, und durchbrochen von groß angelegten Plätzen wie dem Karolinen- und dem Königsplatz.

Den Ausbau verantworteten maßgeblich Karl von Fischer und Friedrich Ludwig Sckell. Gleich zu Beginn wacht zur Rechten das bronzene Reiterstandbild von Kurfürst Maximilian I. auf dem seitlich angegliederten Wittelsbacher Platz über das Geschehen. Mit dem Standbild setzte Ludwig I. 1839 dem Herrscher ein Denkmal, der Bayern zu einem erfolgreichen vorabsolutistischen und katholischen Staat gestaltete.

Schräg gegenüber, im Café Luitpold, soll nach der Eröffnung im Jahr 1888 schon Prinzregent Luitpold ein- und ausgegangen sein. Später waren es Dichter und Denker Münchens wie Stefan George und Erich Mühsam, zudem fand in angrenzenden Räumlichkeiten eine frühe „Blaue Reiter“-Ausstellung statt. Zunächst hatte König Max I. Joseph den Ausbau der Straße vorangetrieben, sein Sohn Ludwig I. vollendete diese Aufgabe. Von seiner Liebe zur Antike zeugt der klassizistisch geprägte Königsplatz.

Tiefgreifende Veränderungen folgten dann erst wieder unter den Nazis, die die Maxvorstadt zu ihrem Quartier in der „Hauptstadt der Bewegung“ wählten. So richteten sie im Wittelsbacher Palais, der einstigen Hausnummer 18, die Münchner Gestapo-Zentrale samt Gefängnis ein, das Adelspalais Hausnummer 34 bauten sie zur Parteizentrale der NSDAP („Braunes Haus“) aus, den Königsplatz gestalteten sie völlig um, passend für große Truppenaufmärsche. Die Straße wurde von 1936 bis 1945 sogar in „Adolf-Hitler-Straße“ umbenannt, wenngleich dies nicht im Straßennamenbuch dokumentiert wurde. Viele Gebäude gingen im Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges in Trümmern unter, darunter auch die Parteizentrale und das Gestapo-Gefängnis.

Zum Wiederaufbau dieser Bauten kam es freilich nicht mehr – stattdessen wurde gegenüber dem einstigen Gefängnis ein Gedenkplatz eingerichtet, Jahrzehnte später rang sich die Stadt zudem zu einem Dokumentationszentrum am Ort des Braunen Hauses durch. Einen letzten markanten Einschnitt erlebte die Brienner Straße durch den Bau des Altstadtrings, die Schneise nimmt der Nobelstraße weiteren Charme.

Platz der Opfer des Nationalsozialismus

Platz der Opfer des Nationalsozialismus
Platz der Opfer des Nationalsozialismus
Wo der Altstadtring wie eine offene Wunde die Brienner Straße teilt, befindet sich auf einer kleinen Grünfläche in Richtung Maximiliansplatz der Platz der Opfer des Nationalsozialismus. Am 10. September 1946 wurde er offiziell ausgewiesen – am selben Tag erhielten übrigens auch der Geschwister-Scholl-Platz und der Professor-Huber-Platz ihre neuen Namen. Der Ort ist mit Bedacht gewählt: Schräg gegenüber befand sich die Münchner Gestapo-Zentrale samt Foltergefängnis im einstigen Wittelsbacher Palais, dessen Trümmer 1950 abgerissen werden sollten und wo heute die Bayerische Landesbank steht. Weitere NSDAP-Machtzentralen lagen in unmittelbarer Nachbarschaft.

Allerdings ist der Platz, direkt an der vielspurigen Kreuzung gelegen, unscheinbar. Selbst das darauf stehende Denkmal für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft, 1985 geschaffen von Andreas Sobeck, geht im Straßengeschehen leicht unter. Dabei laden seine schlichte, klare Gestaltung sowie die universelle Botschaft zum Innehalten ein. Auf einer Stele aus Basalt brennt von Gittern eingeschlossen das Ewige Licht: Das Menschliche - und Gottes Unterstützung – können auch in Zeiten der Unterdrückung nicht ausgelöscht werden. Seit 1995 erinnert zudem ein Gedenkstein an die ermordeten Münchner Sinti und Roma.

Von 2012 bis 2014 wurde der Platz umgestaltet, um ihm mehr Würde zu verleihen: Er wurde stärker vom Verkehr abgeschirmt, Sitzbänke laden Besucher zum Verweilen ein. Und hinter der Stele zieht sich auf einer Länge von 18,5 Metern eine 1,30 Meter hohe Bronzetafel mit der Inschrift: „Im Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“.

NS-Dokumentationszentrum

NS Dokumentationszentrum
NS Dokumentationszentrum
70 Jahre dauerte es, bis in München nach Ende des Zweiten Weltkriegs ein NS-Dokumentationszentrum eröffnet wurde. Dabei kam der „Hauptstadt der Bewegung“ eine entscheidende Rolle beim Aufstieg der Nationalsozialisten zu: Hier sammelte Adolf Hitler in den Bierkellern eine immer größere Anhängerschaft. Von hier aus organisierte er seinen Aufstieg. Nach der Machtergreifung 1933 bauten die Nazis die Maxvorstadt rund um die Brienner Straße zu ihrem Partei-, Verwaltungs- und Repräsentationsviertel aus.

Ab 1988 kämpfte eine Initiative um den Architekturprofessor Winfried Nerdinger für eine Dauerausstellung zur Rolle Münchens für den Nationalsozialismus. Nach Streitigkeiten über das Konzept und baulichen Verzögerungen wurde schließlich das NS-Dokumentationszentrum eröffnet: am 30. April 2015, dem 70. Jahrestag der Befreiung Münchens von den Nationalsozialisten. Entworfen wurde der weiße, mit Lamellenschlitzen versehene Kubus vom Berliner Architekturbüro Georg Scheel Wetzel,

Standort ist das Gelände des Braunen Hauses. Nachdem die bisherigen Räumlichkeiten in einem Hinterhaus der Schellingstraße zu eng wurden, kaufte die NSDAP 1930 hier an der Brienner Straße 34 das klassizistische Palais Barlow. Nachdem der Architekt Paul Ludwig Troost aufwändige Umbauten vorgenommen hatte, richtete die Partei 1931 hier ihre Zentrale ein – welch ein Aufstieg! Hitler hatte hier sein Arbeitszimmer genauso wie sein Privatsekretär Rudolf Heß, weiter waren die „Oberste SA-Führung“, die „Reichsführung SS“ und die „Reichspressestelle“ der NSDAP ansässig – und im Keller wurden ab 1933 politische Gegner gefoltert. Freilich fehlten auch nicht Repräsentationsräume wie die „Fahnenhalle“. Aus dem Palais Barlow war das „Palais Größenwahn“ geworden, wie die Journaille anfangs spottete. Als die Machtzentrale 1937 in den „Führerbau“ in der benachbarten Arcisstraße (heute die Musikhochschule) umzog, war der Hohn längst verstummt. Im Krieg wurde das Braune Haus, das seinen Namen von den Uniformfarben hat, zerbombt.

Bis zum Bau des NS-Dokumentationszentrums, das von der Stadt München, dem Freistaat und dem Bund finanziert ist, blieb das Gelände unbebaut. Der Vorplatz trägt inzwischen den Namen Max-Mannheimer-Platz, in Gedenken an den 2016 verstorbenen Holocaust-Überlebenden, der sich unermüdlich und durch zahlreiche Schulbesuche gegen das Vergessen und für Versöhnung einsetzte.

Königsplatz

Königsplatz
Königsplatz
Wenn nicht wie üblich auf dem Marienplatz so endet die Fronleichnamsprozession im Verlauf der alternativen Strecke schließlich auf dem Königsplatz – normalerweise feierlich mit einem eucharistischen Segen. Der Platz hat eine wechselvolle Geschichte. Entstanden ist die Anlage im Zuge des Ausbaus der Brienner Straße im 19. Jahrhundert als klassizistisches Ensemble – gemäß dem Streben von Ludwig I. nach einem „Isar-Athen“. Der weitläufige Platz ist an drei Seiten von Tempelbauten umschlossen, deren dorische, korinthische und ionische Säulenordnung "ein Bild des reinen Hellenismus in unsere Welt verpflanzen" sollte, wie Leo von Klenze es formulierte. Jener entwarf die im Norden stehende Glyptothek, die griechische und römische Skulpturen beherbergt, sowie das gewaltige Denkmaltor im Westen (Propyläen), Georg Friedrich Ziebland die Antikensammlung im Süden. Anders als von Klenze geplant, blieben die drei Bauten Solitärs, umgeben von Grün.

Die gigantischen Ausmaße nutzte Hitler, um den Platz nach der Machtergreifung als Kultort ausbauen zu lassen. Statt der Künste sollte fortan der Nationalsozialismus pseudoreligiös verehrt werden. Hitlers Hofarchitekt Paul Ludwig Troost ließ den Platz dazu mit Granitplatten auslegen und zwei „Ehrentempel“ am östlichen Rand erbauen, für die Särge der „Märtyrer der Bewegung“: den beim Hitler-Ludendorff-Putsch getöteten Nazi-Anhängern. Flankiert wurden die beiden „Tempel“ symmetrisch von zwei neu geschaffenen Monumentalbauten, die die historischen Museen zur Kulisse degradieren sollten: der „Führerbau“ im Norden (heute Musikhochschule) und der Verwaltungsbau der NSDAP im Süden (heute Zentralinstitut für Kunstgeschichte). Für letzteren wurde übrigens das Palais Pringsheim abgerissen, das Thomas Manns Schwiegereltern 1933 zwangsverkaufen mussten. Fortan wurde der Ort für Aufmärsche genutzt, am 10. Mai 1933 fand hier zudem eine Bücherverbrennung statt.

Anders als die klassizistischen Museen überstanden die Ehrentempel die Bombardements vergleichsweise gut. Die US-Militärregierung ließ sie allerdings im Januar 1947 sprengen. Sein heutiges Aussehen, das dem Originalzustand nachempfunden ist, erhielt der Königsplatz erst in den Jahren 1987/1988, als die Granitplatten entfernt und die Flächen begrünt wurden. Auch heute noch dient er für öffentliche und politische Versammlungen – allerdings friedlicher Natur.
 
Text: Sandra Tjong, Freie Redakteurin, Mai 2020