Madonna mit wechselnder Festtagsbekleidung Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt in Tuntenhausen: Bitte um Beistand und Segen am Gnadenbild der Muttergottes

Tuntenhausen ist einer der ältesten Marienwallfahrtsorte in Bayern. Zur Madonna in der Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt pilgern die Menschen seit Jahrhunderten. Die Marienskulptur wurde Mitte des 16. Jahrhunderts von einem unbekannten Bildhauer geschnitzt. Sie ist einem Gnadenbild nachempfunden, das bei einem Brand im Jahr 1548 zerstört wurde. Auf vielen Votivtafeln und Kerzen ist der Satz „Maria hat geholfen“ zu lesen. Gläubige haben sie zum Dank gestiftet und in die Wallfahrtskirche gebracht. Im Film geben Kunsthistorikerin Dr. Monika Schwarzenberger-Wurster, Pfarrer Ryszard Basta und Kirchenpflegerin Marianne Reil Einblick in die Geschichte des Gnadenbildes und seine Wirkmächtigkeit.
 
Gewänder in der Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt
Die verschiedenen Gewänder der Madonna werden in einem eigenen Schrank in der Sakristei der Wallfahrtskirche aufbewahrt.
Die Marienwallfahrt in Tuntenhausen reicht zurück bis ins Mittelalter. Die Gläubigen kamen aus der näheren Umgebung, aber auch aus Niederbayern und Tirol. Von München kamen die Bayerischen Herzöge und späteren Kurfürsten. Vor dem Gnadenbild trugen die Wittelsbacher über Generationen Maria ihre Anliegen vor und baten um Segen und Beistand für sich und das Land. Wegen des großen Andrangs wurde – wohl nach den Plänen des Münchner Hofbaumeisters Hans Krumpper – 1628/29 ein Neubau errichtet. Dabei gelang die Fortschreibung des bekannten Typus der spätgotischen Hallenkirche zu einem frühbarocken Festsaal. Kurfürst Maximilian I. stiftete den Gnadenaltar und das umgebende Gitter. Vermutlich wurde das hoch verehrte Gnadenbild seit seinem Umzug in den neuen Hochaltar mit textiler Bekleidung gezeigt.

Madonna hat 13 Kleider in ihrer Garderobe

Das Phänomen, sakrale Bildnisse „anzuziehen“, ist seit dem Mittelalter bekannt und erlebte seine Blüte im Barock. Kleider waren nicht nur Mariengnadenbildern vorbehalten; auch Christusfiguren, männliche und weibliche Heilige wurden im Lauf des Kirchenjahrs zumindest zeitweise bekleidet gezeigt. Obwohl Textilien zu den empfindlichsten Kunstwerken im Kirchenraum gehören, besitzt das Tuntenhausener Gnadenbild noch heute eine umfangreiche Garderobe. Das älteste der insgesamt 13 erhaltenen Kleider stammt aus dem 18. Jahrhundert und ist aus rotem Seidendamast mit bunten Blüten gefertigt. Der jüngste Ornat in Grün ist sieben Jahre alt und wurde aus Dankbarkeit über eine erhörte Bitte geschenkt.
 
Dr. Monika Schwarzenberger-Wurster mit der Madonnenfigur in der Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt in Tuntenhausen
Dr. Monika Schwarzenberger-Wurster neben dem Gnadenbild: hier mit ihrem geschnitzten Gewand, einem Brokatkleid nach der Mode der Renaissance.
Im Zentrum des Hochaltars steht die Madonnenfigur mit Kind aus Lindenholz. Vermutlich war das Gnadenbild eines der ersten Stücke, die nach dem Feuer neu geschaffen wurden. An der Skulptur wird deutlich, wie der unbekannte Künstler versucht hat, charakteristische Merkmale des alten Gnadenbildes aufzugreifen. Die großen, weit geöffneten Augen, mit denen Maria unbeirrt nach vorne blickt, das frontale Thronen und die zurückhaltende Gestik der blockhaften Figur erinnern an hochmittelalterliche Sitzmadonnen.

Ältester Bildbeleg für gewandete Madonna aus dem Jahr 1680

Aber unter dem Textilgewand trägt Maria ein aufwändig gestaltetes Kleid, das ganz der Mode um 1550 entspricht. Das eng geschnittene Oberteil mit tiefem Ausschnitt ist über der Taille gegürtet, der Rock ist in enge Falten gelegt. Aufgelegte Silberfolien und gemalte Maureskenmuster imitieren schweren Silberbrokat. Die Oberarme sind weit geschnitten, ab den Ellbogen wird das Kleid eng. Unter dem Brokatkleid trägt sie ein weißes dünnes Unterkleid mit Goldborte. An der Schnitzerei kann man den Unterschied der Stoffe tatsächlich sehen. Über das Gewand hat sie sich in einen Mantel gehüllt, der ihr bis zu den Fußspitzen reicht.
 
Pfarrer Richard Basta mit dem Jesuskind
Pfarrer Ryszard Basta mit dem neu gewandeten Jesuskind. Dessen Festtagskleid ist in der Art gearbeitet wie das der Gottesmutter.
Rund 80 Jahre später wurde das Bildnis in den frühbarocken Gnadenaltar integriert und wohl auch schon textil bekleidet. Der älteste Bildbeleg für die gewandete Madonna ist ein Andachtsbild aus dem Jahr 1680. Mit ihren 66 cm Höhe ist die Marienfigur im Zusammenspiel von Altararchitektur und Assistenzfiguren etwas klein. Das kegelförmige Kleid und der Schleier lassen die Figur im Altargefüge größer und präsenter erscheinen, als sie tatsächlich ist.

Bis heute geschieht die aufwändige Umkleidung des Gnadenbilds zum Lob und zur Ehre der Gottesmutter. Siebenmal im Jahr tauscht der Pfarrer von Tuntenhausen das Gewand von Mutter und Kind entsprechend der jeweiligen liturgischen Farbe. Durch den Kleiderwechsel wird sichtbar: Maria nimmt Teil am Leben der Menschen. Auch wenn die Himmelskönigin in prächtige Samt- und Seidenstoffe gehüllt ist und als Zeichen ihrer Macht Krone und Zepter trägt – wer sich Maria anvertraut, den begleitet sie in allen Anliegen.
 
Text: Dr. Monika Schwarzenberger-Wurster, Fachreferentin Hauptabteilung Kunst, August 2023
 

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