Thronende Madonnen im Erzbistum

Der Mai ist der Marienmonat, zahlreiche Marienwallfahrten und Maiandachten würden normalerweise zu Ehren der Gottesmutter in den folgenden Wochen stattfinden. Dieses Jahr ist das anders: Wallfahrten zu den verehrten Gnadenbildern werden wegen der Corona-Pandemie nicht möglich sein, zu groß ist die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus und seine Weiterverbreitung.

Zahlreiche Mariengnadenbilder sind thronende Madonnen, die zumeist der gotischen Zeit des ausgehenden Mittealters entstammen und wegen ihrer hohen Verehrung die Zeiten überdauerten wie kaum ein anderes Heiligenbildnis. Auch wenn Sie als Gläubige in dieser sorgenreichen Zeit die wundersamen Bildwerke nicht besuchen können, so wollen wir Ihnen wenigstens einige dieser bedeutsamen und herrlichen Skulpturen, auch solche, die noch nicht als Gnadenbild Verehrung finden, hier auf der Homepage des Erzbistums vorstellen. Vorangestellt ist ein kurzer Abriss über die geschichtliche Entwicklung dieses Bildtypus.

Kurzer geschichtlicher Abriss zum Bild der thronenden Madonna

Das Bild Mariens in der christlichen Kunst ist nahezu so alt wie das Christentum selbst. Die Bilderfindungen der frühchristlichen Zeit sind zumeist spontan und Maria findet oftmals in christologischen Szenen ihren Platz. Für den Werdegang als eigenständiges Bildthema war das Konzil von Ephesos im Jahr 431 von großer Bedeutung, das Maria als Gottesgebärerin anerkennt und ihr einen entscheidenden Anteil an der Heilsgeschichte zuspricht. Ab da ändert sich auch die Darstellungsweise Mariens: Als stehende oder als thronende Madonna wird sie alleine mit ihrem Sohn abgebildet, in einer tragenden und weisenden Rolle, wobei ihr Sohn weiterhin das Zentrum bildet. Bei Bildern sitzender Marien dieser Zeit spricht man von der „kathedra Christi“ (Ehrensitz Christi), die mittelalterliche Laurentanische Litanei wird dafür später den Begriff der „sedes sapientiae“ (=Sitz der Weisheit) prägen. Maria ist dabei stets frontal abgebildet und ihr Sohn hat in derselben Position auf ihrem Schoß Platz genommen. In der Gestalt erscheint die Gottesmutter erstmals in der heute nicht mehr erhaltenen Apsiskalotte von Santa Maria Maggiore in Rom, diese Darstellung wurde Vorbild für zahllose spätere Bildwerke im west- und oströmischen Raum. Ab dem Frühmittelalter bildet sich daneben als zweiter Typus die Hodegetria (=Wegweisende) heraus: dabei hat die thronende Maria den Jesusknaben auf den linken Arm genommen und verweist mit ihrer rechten Hand auf ihn. Dieses Bild wirkt lebendiger, weniger statuarisch und zugleich rückt Maria in den Bildmittelpunkt.

Gerade im byzantinischen Raum waren diese beiden Bildmotive weit verbreitet und konnten so bis in das hohe Mittelalter überdauern, als auch der Westen sich dieser Bilder wieder zuwendete und sie in skulpturale Arbeiten übersetzte. Die Goldene Madonna des Essener Damenstifts macht hier Ende des 10. Jahrhunderts einen Anfang.

In der Folgezeit, ab circa 1300, setzte sich die Darstellung des aus dem Zentrum gerückten Kindes durch, Maria selbst wird als himmlische Königin präsentiert. Gleichzeitig erhält die liebevolle Beziehung zwischen Mutter und Kind ihren Ausdruck – Entwicklungen, die mit dem geänderten Bewusstsein und der höheren Verehrung der Gottesmutter gegenüber einhergehen. Bis zum Ende des Mittelalters sind es viele thronende Madonnen, die uns heute oftmals durch ihre Wundertätigkeit als Gnadenbilder erhalten geblieben sind.

Airischwand, St. Sylvester

Airischwand, St. Syvester, Maria mit Kind_
Foto: EOM / Achim Bunz
Neben einer spätgotischen, thronenden Maria mit Kind, die sich in der Mittelnische des Choraltars befindet und die um die Mitte des 15. Jahrhunderts geschaffen wurde, besitzt die Filialkirche eine ältere gotische, eindrucksvolle Maria, die sich auf einer Wiesenbank niedergelassen hat und deren Sohn – von ihrem rechten Arm gehalten – auf ihrem Schoß steht. Christus hat einen Sperling in der Hand, der auf seine zukünftige Passion verweist. Mutter und Sohn können aufgrund ihrer stilistischen Merkmale wie etwas die kunstvolle Haargestaltung und die außerordentliche Haltung der Figuren in die 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts datiert und in den Salzburger Raum verortet werden. Mit wenigen anderen Skulpturen aus dieser Zeit verweist sie auf eine frühere, heute nicht mehr erhaltene Ausstattung und gibt zugleich Rätsel auf, wie sie von Salzburg nach Airischwand kam. Momentan befindet sie sich nicht in der Kirche, sondern wird in den Werkstätten des Kunstdepots der Erzdiözese untersucht.

Hohenpeißenberg, Gnadenkapelle

Hohenpeißenberg, Gnadenkapelle_Gnadenbild
Foto: EOM / Achim Bunz
Im Jahre 1514 errichteten am Hohen Peißenberg ansässige Bauern eine Kapelle und damit begann die Geschichte einer Jahrhunderte währenden Wallfahrt. Als Andachtsbild brachte man die spätgotische Madonna der Schongauer Schlosskapelle auf den Berg, die durch ihre Wundertätigkeit schon bald als Gnadenbild verehrt wurde. Sie zeigt sich im Typus der Neuen Eva: thronend mit dem Jesuskind auf Ihrem Schoß stützt sie ihren Sohn mit der Linken und mit der Rechten reicht sie ihm den Apfel, der als Pendant des Apfels der Erkenntnis gilt. Der Blick ihres zarten Gesichtes ist dabei mit erhabener Miene nach vorne gerichtet, dem Betrachter entgegen. Anders als Eva bringt Maria nun die paradiesische Reinheit in die Welt zurück, den weißen Mantel, den sie als Zeichen dafür trägt, sieht man allerdings nur wenige Tage im Jahr. Meist ist sie in ein reiches textiles Gewand gehüllt und sie und ihr Sohn tragen prachtvolle Kronen, die der Barockzeit entstammen – ein wunderbarer Beleg ihrer fortwährenden Verehrung, ebenso wie das kunstvolle, mit Marketerien verzierte Retabel des Gnadenaltars aus derselben Zeit, das eigens für die Skulptur angefertigt wurde.

München, Maria Ramersdorf

München, Maria Ramersdorf, Gnadenbild
Foto: EOM / Achim Bunz
Die älteste Wallfahrtskirche Münchens, über deren Vorgängerbau heute nichts mehr bekannt ist, wurde zu Beginn des 15. Jahrhunderts als spätgotische, einschiffige Kirche neu errichtet. Im barocken Hochaltar thront mittig das Gnadenbild, die spätgotische Maria mit Kind, die um 1475 entstand und für deren Urheberschaft Hans Haldner vorgeschlagen wird. Einst war sie – typisch für die Münchner Altäre dieser Zeit – die zentrale Sitzfigur eines Schreinretabels, das sicherlich mit Flügeln verschlossen werden konnte. Heute hat die Skulptur ihren Platz in der Mittelnische des barocken Hochaltarretabels. Maria hat ihren bekleideten Sohn auf den rechten Oberschenkel genommen, der mit beiden Händen den Reichsapfel hält. Das Zepter der linken Hand und die reich verzierte Krone weisen die Gottesmutter als Himmelskönigin aus und der kostbare, faltenreiche Mantel, der sich am Boden kunstvoll kräuselt, unterstreicht diesen Charakter.

München, Thalkirchen

München, Thalkirchen, Mariä Himmelfahrt, Gnadenbild um 1482
Foto: EOM / HA Kunst
Die spätgotische, unter der Leitung von Johann Andreas Wolff barockisierte Kirche erhebt sich auf einer pla­teauartigen Anhöhe im Talgrund nahe dem linken Isarufer, im Mittel­punkt des alten Dorfes und Wallfahrts­ortes und im Fried­hof mit hohen alten Bäumen. Im wunderbaren Choraltarretabel im Stil des Rokoko, das von Ignaz Günther in den Jahren um 1758/1759 geschaffen wurde, thront vor einer Lichtöffnung mit Strahlengloriole die sanft und gütig blickende Maria, die Ihren nackten, regsamen Sohn rechts auf Ihrem Schoß hält. Mit aufgeweckter Mimik verweist der Knabe auf das aufgeschlagene Buch in der linken Hand seiner Mutter, vielleicht das Buch des Lebens. Kunstvoll hüllen der Schleier und der Mantel die Skulpturengruppe ein und herrliche Engel begleiten die himmlische Szenerie. Ob ein Münchner, Blaubeurener oder Passauer Bildschnitzer um das Jahr 1482 dieses Gnadenbild geschaffen, konnte bislang nicht abschließend geklärt werden.

Planegg, Maria Eich

Planegg, Maria Eich_Maria mit Kind
Foto: EOM / Achim Bunz
Die Gnadenkapelle der Muttergottes zu Maria Eich zählt zu den bedeutendsten und beliebtesten Wallfahrtsstätten im engeren Umland Münchens. Für die im frühen 18. Jahrhundert einsetzende Wallfahrt wurde zunächst eine kleine Kapelle errichtet, die in der Folgezeit mehrfache Erweiterungen und Umgestaltungen erfuhr. Für große Gottesdienste entstand 1958 nördlich der Gnadenkapelle ein einfacher Kirchensaal (Michael Steinbrecher), der 1966 noch einmal beträchtlich verlängert wurde. In den Jahren 2006 bis 2009 wurde eine Generalsanierung durchgeführt, die eine künstlerische Neugestaltung beinhaltete. Die große Skulptur der thronenden Maria mit Kind von Carola Heine aus München ist Teil dieser Maßnahme.

Vor der „Verkündigung“, ein Motiv der ungegenständlich assoziativen Glasflächen von Johannes Schreiter, sitzt in kontemplativer Haltung Carola Heines Muttergottes aus ungefasstem Zirbelholz. Sie ist „Sitz der Weisheit“ (sedes sapientiae) und Thron für das göttliche Kind, das sich durch seine ganzheitliche Vergoldung auszeichnet. Mit dem Fingerzeig des Kindes und dem Sperling in der Hand der Mutter wird die Brücke zum Tabernakel als Ort der Realpräsenz Gottes geschlagen und zugleich auf den Opfertod Christi verwiesen.

Texte: Dr. Martina Außermeier, Dr. Alexander Heisig (zu Planegg)

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