Heiligkeit heute Was sind die Voraussetzungen, um in der Kirche zur Ehre der Altäre erhoben zu werden?

Die beiden liturgischen Feste Allerheiligen und Allerseelen gehören eng zusammen. An Allerheiligen denken wir nicht nur an die von der Kirche kanonisierten Heiligen, sondern an alle, die den an die Christen ergehenden Ruf nach Heiligkeit ernstnehmen und versuchen, ihm zu folgen. „Heilig werden heute“ bedeutet kurz zusammengefasst, den Lehren und dem Beispiel Jesu Christi nach Möglichkeit im eigenen Leben zu folgen.
Ausschnitt aus der Predella des Hochaltars von San Domenico in Fiesole
Papst Franziskus hat dieser Heiligkeit des Alltags 2018 eine eigene Schrift gewidmet (Apostolisches Schreiben „Gaudete et exultate“ „Über den Ruf zur Heiligkeit in der Welt von heute“) und formuliert sein Anlegen wie folgt: „Denken wir nicht nur an die, die bereits selig- oder heiliggesprochen wurden. Der Heilige Geist verströmt Heiligkeit überall, in das ganze gläubige Gottesvolk hinein ... es gefällt mir, die Heiligkeit im geduldigen Volk Gottes zu sehen: in den Eltern, die ihre Kinder mit so viel Liebe erziehen, in den Männern und Frauen, die arbeiten, um das tägliche Brot nach Hause zu bringen, in den Kranken, in den älteren Ordensfrauen, die weiter lächeln. Oft ist das die Heiligkeit von nebenan ... oder, um es anders auszudrücken, die Mittelschicht der Heiligkeit.“

Wie ein Seligsprechungsprozess verläuft

An Allerseelen denken wir besonders an unsere Verstorbenen. Hier liegt auch der Ansatzpunkt für die Frage, wer für eine kirchliche Selig-/ Heiligsprechung in Frage kommt. Es handelt sich dabei immer um verstorbene katholische Frauen und Männer, die entweder im Ruf der Heiligkeit stehen und eines natürlichen Todes gestorben sind (sogenannte Bekennerinnen und Bekenner) oder ihr Leben aus dem Glauben heraus gewaltsam verloren haben (sogenannte Märtyrerinnen und Märtyrer) oder ihr Leben für andere geopfert haben. Für diese drei genannten Kategorien gibt es jeweils einen eigenen komplizierten und aufwendigen kanonischen Seligsprechungsprozess, der hier nur in groben Zügen angedeutet werden kann. Um den Ruf der Heiligkeit oder des Martyriums unter den Gläubigen festzustellen, wird ein Actor oder eine Actrix benannt, die den Seligsprechungsprozess initiieren und zur Durchführung desselben einen Postulator oder eine Postulatorin bestellen. Beide müssen vom zuständigen Ortsbischof bestätigt werden. Dann beginnt die Recherche nach den veröffentlichten und unveröffentlichten Dokumenten des/der Seligsprechungskandidaten/-in (auch „Diener/ Dienerin Gottes“ genannt) und deren Bewertung, die von einer vom Ortsbischof ernannten und vereidigten „Historischen Kommission“ verantwortet wird.

Die vorgelegten Dokumente werden von ebenfalls ernannten und vereidigten „Theologischen Gutachterinnen und Gutachtern“ auf Glaube und Sitte hin überprüft. Ziel des Verfahrens ist es, den sogenannten heroischen Tugendgrad (das heißt, die theologischen Tugenden Glaube, Hoffnung, Liebe sowie die Kardinaltugenden Gerechtigkeit, Tapferkeit, Stärke und Maßhaltung wurden in überdurchschnittlicher Weise ausgeübt) des Dieners Gottes festzustellen. Beim Seligsprechungsprozess eines Märtyrers kommt noch der Nachweis des Martyriums auf Grund des Glaubens dazu. Dazu dienen auch die Vernehmungen der vom Postulator ausfindig gemachten Zeugen durch einen kirchlichen Gerichtshof, die den Diener Gottes persönlich näher kannten oder sich mit ihm ausführlich beschäftigt haben.

Schließlich werden die Vernehmungsprotokolle, die recherchierten Dokumente sowie die Stellungnahmen der Historischen Kommission und der Theologischen Gutachter von einem ernannten und vereidigten Fahrer nach Rom in die Kongregation für die Heilig- und Seligsprechungen gebracht (Ende der Diözesanen und Beginn der Römischen Phase). Dort werden die Dokumente auf Vollständigkeit und formaljuristische Korrektheit überprüft. Erst danach beginnt die inhaltliche Prüfung. Dazu muss der Postulator eine „positio“ verfassen (einen umfangreichen durchgehenden Text, der die oben genannten Dokumente verarbeitet und dabei den heroischen Tugendgrad (und gegebenenfalls zusätzlich das Martyrium) herausarbeitet. Die Abfassung der Arbeit geschieht in Rom unter Aufsicht der Kongregation. Wenn sie vom dortigen „Generalrelator“ und der Theologischen Kommission angenommen wurde, muss sie intern veröffentlicht werden, um in der Vollversammlung der Kongregation abschließend behandelt werden zu können. Bei positivem Ausgang legt dann der Präfekt der Kongregation dem Heiligen Vater das Dekret zur Anerkennung des heroischen Tugendgrades (beim Bekenner) beziehungsweise des Martyriums (beim Märtyrer) zur Unterschrift vor. Erst mit der päpstlichen Unterschrift ist der Seligsprechungsprozess beim Märtyrer offiziell abgeschlossen und anerkannt. Beim Bekenner ist neben der päpstlichen Anerkennung des heroischen Tugendgrades noch ein kirchliches, in einem eigenen Prozess päpstlich approbiertes Wunder für die Seligsprechung (offizielle kirchliche Verehrung mit liturgischen Texten im Messbuch und Stundenbuch, allerdings regional eingeschränkt auf die Wirkungsstätten des Seligen) erforderlich, nicht hingegen beim Märtyrer. Für eine mögliche Heiligsprechung (weltweite offizielle kirchliche Verehrung) ist nach der Seligsprechung sowohl beim Märtyrer als auch beim Bekenner ein approbiertes Wunder erforderlich.

In unserer Erzdiözese sind die Seligsprechungsprozesse für die Diener Gottes Romano Guardini sowie Fritz Michael Gerlich bereits offiziell eröffnet, für Willi Graf und Walter Klingenbeck laufen entsprechende Voruntersuchungen. Sachdienliche Hinweise für diese Prozesse nehme ich als Postulator aus den Reihen der Gläubigen dankend entgegen (seligsprechungen@eomuc.de).

Text: Dr. Johannes Modesto für die Münchner Kirchenzeitung

Zeugen im Glauben

Heilige, Selige und Märtyrer aus dem Erzbistum München und Freising

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