„Die Zukunft unserer Kirche entscheidet sich vor Ort“

Gesellschaftliche Solidarität statt Abgrenzung / Laienvertretung betont zentrale Rolle politischer und kirchlicher Ehrenämter
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Deggendorf, 14. November 2025. Das Landeskomitee der Katholiken in Bayern warnt vor einer Tendenz in der Gesellschaft, auf Unsicherheit und soziale Probleme mit Abgrenzung zu reagieren und fordert mehr gesellschaftliche Solidarität. Der Vorsitzende der Laienorganisation, Christian Gärtner, hat in seinem Bericht am Freitag, 14. November, bei der Herbstvollversammlung des Landeskomitees in Deggendorf Katholikinnen und Katholiken dazu aufgerufen, „jeglichen politischen Akteuren, die Abgrenzung als vermeintliche Lösungsstrategie für soziale, wirtschaftliche und internationale Probleme propagieren“ mit der zentralen christlichen Botschaft entgegenzutreten, „dass wir alle Teil einer Menschheitsfamilie sind.“
 
Mit Blick auf die Kommunalwahlen im März 2026 forderte Gärtner dazu auf, Kommunalpolitikerinnen und -politiker zu unterstützen, „indem Sie als engagierte Katholikinnen und Katholiken kandidieren, indem Sie zur Wahl gehen. Aber zur Unterstützung gehört auch, dass die kommunalen Ebenen von Bund und Land endlich finanziell so ausgestattet werden, dass sie die ihnen zugewiesenen Aufgaben auch erfüllen können.“ Besorgniserregend sei aus Sicht des Landeskomiteevorsitzenden de zunehmende Gewalt gegenüber Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern. Dies dürfe „nicht die Zukunft unseres politischen Diskurses sein.“ Auch warnte er vor einer Beteiligung der AfD an politischen Ämtern und Entscheidungen auf kommunaler Ebene. Dies würde dazu beitragen, „weiter das politische Klima zu verschlechtern“ und stelle eine Gefahr für die Demokratie dar.  Nicht nur in der Kommunalpolitik, sondern auch in der Kirche ist nach Meinung von Gärtner das Ehrenamt ein entscheidender Faktor für die Zukunft. Sie hänge wesentlich davon ab, „ob es gelingt, an möglichst vielen Orten eine kritische Masse von ehrenamtlich engagierten Frauen und Männern zu organisieren, die bereit sind, der Kirche vor Ort ein Gesicht zu geben.“ Dem Leitgedanken der Solidarität folgend, sei es seiner Meinung nach außerdem notwendig, dass die Kirche angesichts der Herausforderungen der Zeit „engstirniges Kathedralturmdenken überwindet.“ Ebenso, wie „von uns Gläubigen bei der Einrichtung größerer überpfarrlicher Strukturen erwartet wird, ein zu enges Kirchturmdenken zu überwinden“, brauche es „mehr Bereitschaft zur überdiözesanen Solidarität.“ Insbesondere im Bereich der Finanzen und der Verwaltung, beispielsweise bei den Kirchensteuerämtern, sehe Gärtner Möglichkeiten der Zentralisierung und somit Einsparungspotential. Einsparungen auf überdiözesaner Ebene, wie er sie in den letzten Jahren beobachtet habe, seien seiner Ansicht nach hingegen der falsche Weg.
 
Die stellvertretende Landeskomitee-Vorsitzende Silvia Wallner-Moosreiner beobachtete ebenfalls, dass sich Menschen von anderen, die sich in sozialen Nöten befänden, immer mehr abgrenzten, statt zu fragen, wie sich diese Not lindern ließe. Sie verwies unter anderem auf die sogenannte „Stadtbild“-Debatte, die den Fokus auf die sichtbaren Symptome sozialer Probleme verschiebe, statt die statistisch häufigere Realität der Gewalt gegen Frauen im häuslichen Kontext in den Blick zu nehmen. Sie verwies auf die wichtige Arbeit katholischer Verbände in diesem Bereich in Bayern, die Beratung und Unterstützung für von Gewalt betroffene Familien und Frauen zur Verfügung stellten. Wallner-Moosreiner kritisierte im Kontext der Altersarmut, dass in der Debatte zu häufig darauf verzichtet werde, Männer in die Verantwortung zu nehmen. Solange „die Rente, die Care-Arbeit, die Betreuung von Kindern und die Pflege nicht gleichmäßig verteilt werden, werden wir nie einen Ausgleich schaffen.“ Sie forderte von der Politik Verbesserungen der Rahmenbedingungen für Schwangere, Familien und Alleinerziehende, intensivere Bemühungen um bezahlbaren Wohnraum sowie Mutterschutz für Selbstständige.
 
Der Vize-Vorsitzende Michael Wolf beklagte eine oft nicht faktenbasierte Debatte zu sozialen Missständen, insbesondere im Hinblick auf Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger. Er hielt Politikerinnen und Politiker dazu an, Zahlen zu veröffentlichen und damit ihre Entscheidungen auf eine transparente, nachvollziehbare Grundlage zu stellen. Sanktionen dürften außerdem nicht in die Würde und die Überlebensgrundlagen des Einzelnen eingreifen. Er schlug überdies eine Re-Evaluierung des Konzepts „Mini-Job“ vor, das in der bestehenden Form dazu führe, dass zu viele Menschen auf Dauer nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt und somit der Gefahr von Altersarmut ausgesetzt seien: „Wir müssen uns fragen, wer davon profitiert und an wem das Schaden nimmt.“ Wolf sprach sich zudem dafür aus, dass die Kirche weiterhin auf Personen zugehe, die sich jenseits traditioneller Geschlechtsidentitäten befänden. Einerseits sehe er es als positiv, dass sie nun in offiziellen Aussagen die Lebensrealität queerer Menschen anerkenne, dies sei jedoch noch nicht ausreichend. Wolf räumte ein, dass es eine schwierige Erkenntnis sein könne, „dass sich unser Wissen vergrößert hat. Aber wenn wir uns umentscheiden, dann müssen wir das ganz machen und nicht nur scheibchenweise.“
 
Katharina Vogt, stellvertretende Vorsitzende des Landeskomitees, nahm den Themenkomplex Ehrenamt und Politik in den Blick. Das Landeskomitee sei aus ihrer Sicht eine wichtige Stimme der Katholikinnen und Katholiken in Bayern, die in der Lage sei, die oft heterogenen und vielseitigen Perspektiven der engagierten Laien in der Kirche auszuhandeln, zu bündeln und gegenüber der Bayerischen Staatsregierung und dem Landtag zu vertreten. Diese Fähigkeit lasse sich nutzen, um positiv in die Gesellschaft hineinzuwirken: „Die Rolle aller engagierten Katholiken sollte es sein, gegen die Spaltung der Gesellschaft anzuarbeiten.“ Aufgrund zurückgehender Ressourcen empfahl Vogt, weiterhin die Kräfte von Haupt- und Ehrenamtlichen aus verschiedenen Bereichen zu vereinen und Synergie-Effekte zu nutzen – auch mit den Verbänden, die bereits vielerorts ihre Strukturen an einen Rückgang der finanziellen und personellen Ressourcen anpassen mussten. „Wir sind jetzt noch in einer Position, in der wir gestalten können. Die Diözesen müssen sich zusammensetzen und gemeinsam diesen Weg proaktiv gehen“, so Vogt.
 
Das Landeskomitee nahm außerdem ohne Gegenstimme einen Antrag des Landesverbandes der Katholischen Landvolkbewegung an, der von der FBK die Wiederrichtung der Arbeitsgruppe zur Erfassung kirchlicher verpachteter landwirtschaftlicher Flächen sowie zum Herausgeben von Kriterien und Lösungsvorschlägen für deren nachhaltige Nutzung fordert. In der Arbeitsgruppe sollen Vertreterinnen und Vertreter des Landeskomitees, insbesondere aus den Landverbänden, der Umweltreferentinnen und -referentinnen der Bistümer und der Katholischen Pfründepachtstelle Regensburg sitzen.
 
 Einen Antrag des Diözesankomitees der Katholiken im Bistum Regensburg zur Errichtung eines synodalen Teams auf Bayernebene hat das Landeskomitee ebenfalls angenommen. Darin bitten die Vertreterinnen und Vertreter der Laien in Bayern die Freisinger Bischofskonferenz, bis Ende Januar 2026 ein Synodenteam auf Landesebene einzurichten, das den Umsetzungsprozess der Weltsynode koordinieren, unterstützen und bündeln soll.  Besetzt werden soll das Team unter anderem mit Vertreterinnen und Vertretern der Räte in den diözesanen Synodenteams, der FBK-Leitung und der Generalvikariate, dem oder der Vorsitzenden des Landeskomitees sowie Fachleuten und einem ökumenischen Beratenden. Mit einem Synodenteam auf Landesebene würde laut Antrag die Freisinger Bischofskonferenz dem Fahrplan „Pathways for the Implementation Phase of the Synod“ des Generalsekretariats der Weltsynode Folge leisten, der vorgibt, dass bis 2027 eine Evaluation der Umsetzung der Weltsynode erfolgen soll. Das überdiözesane Team solle, so heißt es im Antrag, „eigene synodale Vorgehensweisen reflektieren und erproben und die Beiträge der Ortskirchen bündeln“, sowie Aspekte wie Veranstaltungsformate, Schulungen und Evaluationskriterien in den Diözesen vereinheitlichen, „ohne die Verantwortung der Diözesen zu schmälern.“ (fho)