Geistliche Musik zur Karwoche

„Il pianto di Maria“
Musik von Axel Nitz
 
Bettina Ullrich, Mezzosopran
Peter Gerhartz, Orgel und Keyboards
Jost Hecker, Cello
Axel Nitz, Sopransaxophon
 
Mitschnitt der Uraufführung vom 1.11.2013 in der Kirche St. Paul (Apsis)
 
Als musikalische Andacht zur Karwoche hören Sie eine Komposition aus dem Jahre 2013 von Axel Nitz nach der altitalienischen Passionskantate „Il Pianto di Maria“ - Das Weinen der Maria.
Hier wird der Leidensweg Jesu Christi aus der Perspektive einer aufbegehrenden, anklagenden Gottesmutter dargestellt: „Wenn ich Mutter eines Gottes wurde, nur um einen Gott sterben zu sehen, dann – verzeih mir, Ewiger Vater, – ist Deine Gnade eine große Qual!“
Diese für die damalige Zeit unübliche, quasi psychologische Sichtweise lässt den über 250 Jahre alten Text eines unbekannten Verfassers außerordentlich modern erscheinen. Zunächst wurde dieser von Giovanni Battista Ferrandini (1710 –1791), einem lange in München lebenden und auch hier verstorbenen, venezianischen Komponisten, in Ton gesetzt. Seine Cantata wurde zu einem besonderen Zweck geschrieben: „da cantarsi davanti al Santo Sepolcro“, „zum Absingen vor dem Heiligen Grab“. Auch in Bayern war es in der Barockzeit üblich - und ist es auch heute noch mancherorts - zu den Kar-Tagen ein Heiliges Grab für eine vom Kreuz abgenommene Christusfigur zu errichten. Da unter den leider notwendigen Einschränkungen der Corona-Krise der tatsächliche Besuch von Andachten und Heiligen Gräbern vor Ort in diesem Jahr nicht möglich ist, laden wir Sie zu diesem geistlichen Besuch ein.
 

Il Pianto di Maria - Das Weinen der Maria

Text: unbekannt
Vertonung: Axel Nitz (geb. 1957)
 
1.  Recitativo
10:16 Min.
Giunta l’ora fatal
dal Ciel prescritta
Che sul Calvario monte,
con tragico apparato
Girne dovea del Creatore il Figlio,
Videsi anch’Ella in luttuoso ammanto,
La sconsolata Madre esser presente
Alla tragedia atroce, e starne, ah Cieli!
Immobil nel dolor, soltanto in vita
Quanto sentir potesse
L’immensa acerbità del suo tormento
E mentre tutta in pianto si sciogliea,
Così, fra i suoi singhiozzi
Ella dicea:
Ah, me infelice! Ahi, Lassa!
Il mio figlio divino
Da un discepol tradito!
Da un altro ancor negato!
Dai più fidi fuggito!
Da tribunali ingiusti
Come reo condannato!
Da flagelli percosso!
Trafitto dalle spine!
Lacerato da chiodi!
Crocifisso fra’ ladri!
Di fiele abbeverato!
Dal Mondo vilipeso!
Dal Cielo abbandonato!
E ancor non basta
Se da barbare squadre il bel suo nome
Fra le bestemmie ancor, non deggio udire.
Gekommen war die Schicksalsstunde,
vom Himmel vorher bestimmt,
da der Sohn des Schöpfers
den Kalvarienberg erklimmen musste,
mit tragischem Gepränge.
Da sah man auch sie im Trauermantel,
die untröstliche Mutter, als Zeugin der grausamen
Tragödie; da stand sie, oh Himmel,
unbeweglich in ihrem Schmerz,
am Leben nur noch,
um die unermessliche Bitternis
ihrer Qual zu fühlen.
Und in Tränen gänzlich aufgelöst,
sprach sie so in ihrem Schluchzen:
„Ach, ich Unglückselige, ich Elende!
Mein göttlicher Sohn,
von einem Jünger verraten,
von einem anderen verleugnet,
von den Allertreuesten verlassen,
von einem ungerechten Tribunal
wie ein Schuldiger verurteilt,
von Geißelruten zermartert,
von Dornen zerstochen,
von Nägeln durchbohrt,
gekreuzigt zwischen Dieben,
mit Galle getränkt,
von der Welt mit Hohn überschüttet,
vom Himmel verlassen.
Und noch immer ist es nicht genug,
wenn ich hören muss,
wie rüde Haufen seinen schönen
Namen durch Flüche entweihen?“
 
2. Cavatina
3:22 Min.
Se d’un Dio fui fatta Madre
Per vedere un Dio morire
Mi perdona, Eterno Padre,
La tua grazia è un gran martire.
„Wenn ich zur Mutter eines Gottes wurde,
um einen Gott sterben zu sehen,
dann, ewiger Vater – verzeih mir –
ist deine Gnade eine große Marter.“
 
3. Recitativo
6:16 Min.
Ahimè,
Angeli, non l’udite?
Padre, l'abbandonasti?
Almen tu Santo Spirito, tu soccorri
Quella divina fronte
In cui desian specchiarsi
L’Angeliche del Ciel Squadre, si pure,
Già sparsa di mortal, mesto pallore!
Sopra il petto l’inchina. Ei muore.
„Ach“, schreit sie mit lauter Stimme,
„Engel, hört ihr nicht?
Vater, hast du ihn verlassen?
Wenigstens du, Heiliger Geist, steh ihm bei!
Jenes göttliche Haupt,
in dem die Engel sonst sich spiegeln,
neigt sich schon, von Todesblässe gezeichnet
auf seine Brust.
Er stirbt!“
4. Aria
3:04 Min.
Sventurati miei sospiri,
Se quest’alma non sciogliete,
Molto poco voi potete!
Molto lieve è il mio dolore!
Atrocissimi martiri,
Che in umor gli occhi stillate,
Poco il duol se non stemprate
Tutto in lacrime anche il core!
„Verwunschen seid ihr, meine Seufzer,
wenn ihr jene Seele nicht erlösen könnt.
Wenig fürwahr könnt ihr bewirken,
wenig wiegt mein Schmerz!
Ihr allergrausamsten Qualen,
die ihr die Tränenflut aus meinen Augen presst,
wenig vermag Euer Schmerz,
wenn ihr nicht auch das Herz in Tränen auflöst!“
 
5. Recitativo
5:15 Min.
Sì disse la gran Madre
In vedendo spirar l’amato Figlio.
Insensata per duol tosto divenne
E priva d’ogni senso al suol poi svenne.
Ma tosto, al chiuder gli occhi
Dell’Eterno Fattore, udissi intorno
Un fragor di sassi,
Un crollar della terra,,
Un vacillar del suolo,
Sì del morto Signor l’agita il duolo.
Ha decretati Iddio
tre terremoti universali in terra:
un nel morir del Verbo,
nel suo risorger altro
e il terzo al fine
ahi nel pensar io tremo, a quel che fia,
nel gran Giudizio estremo.
So sprach die große Mutter,
als sie den geliebten Sohn sterben sah.
Bewusstlos brach sie unter all dem Schmerz zusammen,
der ihr die Sinne raubte;
doch kaum hatte der ewige Schöpfer
die Augen geschlossen,
da hörte man ringsum
den Lärm der Felsen,
ein Beben der Erde,
ein Erschüttern des Bodens,
so sehr waren sie vom Tod des Herrn bewegt.
Es hat der Herr drei große Erdbeben
über die Welt verfügt:
eines beim Tode des Wortes,
ein zweites bei seinem Auferstehen,
das dritte schließlich
– ach, wenn ich dran denke, schauert’s mich –
beim Jüngsten Gericht.
 
6. Aria
3:13 Min.
Pari all’amor immenso
Fu immenso il suo Patir.
E solo allora atroce
Gli fu la propria Croce
Che di sue penne il senso
Gli tolse il suo morir.
Der unermesslichen Liebe gleich
war sein unermessliches Leiden.
Und nur deshalb ward ihm
sein Kreuz so schwer,
da er den Sinn seiner Leiden
im Sterben nicht mehr erkennen konnte.
 
7. Recitativo
2:53 Min.
Or se per grande orror tremò la terra
Morir vedendo un Dio
Fra tormenti sì rei
Uomo, trema ancor
tu che terra sei!
Nun, da die Erde bebte vom großen Schrecken,
einen Gott sterben zu sehen
unter so grausamen Qualen,
bebe auch du, Mensch,
der du Erde bist!