Aus dem Februar-Newsletter 2023

„Thank You for liking me!“, rufe ich dem jungen Mann am Tisch gegenüber zu und bin amüsiert über den lustigen Zufall. Gerade hat er nämlich einen Instagram-Beitrag von mir geliked, kennt mich aber bislang nicht. Ich hatte das für den folgenden Abend angesetzte „News from the Past“ an den Kammerspielen beworben und darin auch ihn als Mitwirkenden erwähnt: Dmytro Oliinyk.
Schon kommt sein Kollege Edmund Telgenkämper aus der „Effingers“-Vorstellung und stellt den Kontakt her. Den ganzen Abend reden wir über die soeben gesehene sehr runde Aufführung und Theater überhaupt. Dima, so nennen ihn seine Kollegen, zeigt sich als äußerst wacher und genauer Beobachter. Während „Die Effingers“ einen historischen Bogen spannt bis hin zum düstersten Kapitel der deutschen Geschichte, fängt „News from the Past“ am folgenden Abend eben dort an und zieht die Linie weiter ins Heute, ergänzt durch die ukrainische Perspektive und die traurige Schnittmenge.
Die zwei ukrainischen und zwei deutschen Schauspieler:innen betreten während der im Hintergrund vorgetragenen Geschichtslektion die Bühne alltäglich distanziert, als ob sie das nichts anginge, und fügen schließlich nach und nach ihre eigenen authentischen Geschichten hinzu. Vitalina Bibliv kann nicht an sich halten und es laufen ihr dicke Tränen herab, wenn sie von ihrer Zeit im Luftschutzkeller in Kiew erzählt und ihrer unendlichen Müdigkeit.
In der Ukraine ist die Schauspielerin sehr bekannt, und für ihre 43.000 Follower hat sie eine lustige satirische Figur erfunden: eine Bäuerin mit Kopftuch, die hintergründig die aktuelle Situation kommentiert.
Der erste Instagram-Beitrag von Dmytro Oliinyk ist von 2016, da ist er bereits am Kiewer „Golden Gate“-Theater beschäftigt und man sieht da, was junge Schauspieler eben so posten, bis hin zur Hochzeit 2021.
Am 1. März 2022 erscheint dann plötzlich ein Katastrophenschutzplan, der zeigt, wo man im Angriffsfall in einem Hochhaus am sichersten ist, kriegsversehrte Männer, wie sie das Fernsehen nicht zeigt, keine Selfies mehr. Auf der Bühne erzählt er von seiner ersten und letzten Schlägerei und dem Schicksal des Freundes, mit dem er diese Auseinandersetzung hatte. Und er versteht es, in diesem kleinen Bericht, seine und unsere ganze Situation zusammenzufassen.
„Nun sind auch wir wieder so eine traumatisierte Generation“, hatte Vitalina Bibliv zuvor gesagt. Wenn wir „Spätgeborenen“ eines wissen, ist es dies: Der Krieg endet nicht mit dem Waffenstillstand. Davon erzählt am Ende Edmund Telgenkämper: Wenn wir uns mit den Geistern der Vergangenheit nicht auseinandersetzen, finden wir keinen Frieden und keine Zukunft – im Großen wie im Kleinen.
„News from the Past“ ist ein kleiner großer Abend, der zeigt, was Theater im Idealfall kann: die große Welt im Kleinen zu spiegeln. Er hat mich daran erinnert, was der Schauspieler André Kaczmarczyk am 13.1. im SZ-Interview gesagt hat: „Ich vermisse im Theater oft die Erschaffung einer Welt mit Schauwert, die sich nicht hinter Intellekt oder Ironie verbirgt.“ Und: „Es ist viel schwerer, eine emotional stimmige, psychologische Figur zu spielen, als ständig zu signalisieren: Das bin ich gar nicht, und eigentlich stehen wir ja alle drüber.“
Hier steht niemand über etwas, sondern alle für etwas. Mehr denn je scheint mir die Frage aktuell: Wie verändert unsere Art, auf die Welt zu schauen, unser Tun, unsere Kunst? Bemerkenswert finde ich in diesem Zusammenhang, wie der Regisseur des Stücks, Stas Zhyrkov, auf einem Instagram-Reel vom letzten Oktober auf dem Weg zur U-Bahn ganz selbstverständlich ein Dankgebet spricht …

 
KUNST zeigt – deutet – gestaltet Welt in unterschiedlichsten Ausdrucksformen: Schon Papst Johannes Paul II. warnte: „Eine Welt ohne Kunst könnte sich schwerlich dem Glauben öffnen.“ Und pointiert schrieb er in seinem „Brief an die Künstler“  1999: „Die Kirche braucht die Kunst. Braucht die Kunst die Kirche?“

PASTORAL ist das Bemühen der Kirche, Welt im Geiste Jesu mitzugestalten und meint in diesem Sinn mehr als „Seel-Sorge“. Es geht nicht nur um die Seele, sondern um den ganzen Menschen und nicht so sehr um Sorge, sondern um Vertrauen in das, was Gott in jedem Menschen angelegt hat. Pastoral leitet sich vom Wort „Pastor – Hirte“ her – der kann seine Aufgabe nur erfüllen, wenn er mitsucht, mitgeht, mitlebt, „den Geruch der Schafe annimmt“, wie Papst
Franziskus dies ausdrückt.

KUNSTPASTORAL will betonen, dass die Begegnung von Kirche und Kunst ein Dialog auf Augenhöhe von autonomen Partnern ist, in dem beide Seiten voneinander lernen, miteinander ringen und staunen können. Darum löste der Begriff in der Erzdiözese München und Freising den bisher gebräuchlichen der „Künstlerseelsorge“ ab.
Der Fachbereich Kunstpastoral ist Teil des Ressorts „Seelsorge und kirchliches Leben“, in dem Pastoral für Menschen in allen Bereichen und Lebenssituationen angeboten wird. Kunstpastoral soll keine Alibi-Funktion haben, bei der die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur an einige Spezialisten delegiert wird, sondern einen Weg für die Kirche als ganze eröffnen.

ST. PAUL in München ist Sitz der Kunstpastoral in der Erzdiözese. Begegnung braucht Raum. Die Münchner Paulskirche mit ihrer Kraft und Weite ist in besonderer Weise Ort der Begegnung und des Dialoges von Kunst und Kirche. Zentral ist die Feier der Eucharistie – jeden Sonntag, 20.15 Uhr, unter dem Motto „TatOrtZeit“ in der Regel mit einer Bildbetrachtung und Zeitgenössischer Musik.
Auch darüber hinaus bereichern künstlerische Ausdrucksformen das spirituelle Leben.
St. Paul ist pfarreilich Teil des Pfarrverbands Westend. Hier erfahren Sie mehr über den Pfarrverband und das weitere gottesdienstliche Angebot in St. Paul.

So pflegt und fördert der Fachbereich Kunstpastoral in besonderer Weise den Dialog von Kirche und Kunst:
 
Pastoral mit Künstlerinnen und Künstlern und für sie durch Begegnungen und Gespräche, etwa beim Aschermittwoch der Künstler, der gemeinsam mit anderen Abteilungen gestaltet wird, bei Fahrten zur Biennale oder documenta, bei Premieren und Vernissagen, durch theologische Beratung und Austausch im Rahmen der personellen Möglichkeiten
 
Theologische und pastorale Erschließung und Vermittlung von Kunst, etwa durch Bildpredigten im Gottesdienst, Führungen, Beteiligung an kulturellen Veranstaltungen (etwa Lange Nächte), KinoTreffRio usw.
 
Vermittlungstätigkeit im Sinne des Dialogs von Kunst und Kirche für haupt- und ehrenamtliche kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in Dekanaten und Pfarreien

Je nach Anlass können im gesamten Gebiet der Erzdiözese – von Berchtesgaden bis Fürstenfeldbruck, von Mittenwald bis Landshut – Begegnungen stattfinden.
 
Wir freuen uns auf den Dialog mit Ihnen!