"Imagine all the Pieces" ist der von der Künstlerin Judith Milberg selbst gewählte Titel der Ausstellung. Mit dieser Aufforderung will sie dazu ermuntern, ihre Faszination zu teilen, denn nichts Geringeres als der Urknall, die Entstehung des Universums und die Entwicklung der Erde, die vielfältige Existenz von Atomen, Molekülen und Zellen, die sich zu Lebewesen formen, begeistern die Künstlerin. Folgerichtig befasst sie sich in ihrer Arbeit mit den komplexen Phänomenen und Wechselbeziehungen der Natur und findet Inspiration für ihre Werke auf vielen Gebieten der Wissenschaft und der Philosophie. Die intensive Betrachtung natürlicher Phänomene versetzt die Künstlerin immer wieder erneut in Staunen und treibt sie dazu an, ihre ganz persönliche, intuitive Welterfassung in Bilder zu gießen. Pflanzen, die im Boden wurzeln und zum Himmel streben, spielen in ihrem Werk eine besondere Rolle, deshalb zeigen ihre Arbeiten oft angedeutete Blütenformen, wie in Golden Origin – Blue Loop und Golden Origin – Red Loop.
Zu Beginn jeder Arbeit empfindet die Künstlerin einen starken inneren Impuls, der einen dynamischen Malprozess auslöst. Augenfällig ist das spannungsreiche Spiel aus kraftvollen Farben, metallischem Leuchten, dichten Flächen und transparenten Wolken auf einer rohen Holzoberfläche. Während ihre Kompositionen spontan mit dem Schütten von pigmentierter Tusche ihren Anfang nehmen, bearbeitet sie im Anschluss scharf umgrenzte Flächen zeitintensiv und kräfteraubend mit Pastellkreiden, die sie mit ihren Händen tief in die Holztafeln reibt. So wachsen in ihren Gemälden kaum zu bändigende, dynamische amorphe Formen und pulsierende, ineinander verwobene Stränge, durchzogen von leuchtenden Farbspritzern. Dabei vermitteln ihre mehrteiligen Bilder immer den Anschein, Ausschnitt eines größeren Komplexes zu sein.
Der Unbegrenztheit des Raumes entspricht die Vorstellung zeitlicher Unendlichkeit, so erinnert die Gruppe Excavation an Ausgrabungen längst verschwundener Lebewesen, während die Arbeiten Big Bee, Outside of Category und Beyond Species zukünftige Tierarten erahnen lassen. All diese Phänomene werden als Momentaufnahme im Strom der Zeit aufgefasst, was unweigerlich an die Begrenztheit des individuellen Daseins erinnert und zu grundlegenden Überlegungen über Sinn und Wert des Lebens führt.
Diözesanmuseum
Domberg 21
85354 Freising
Stabsstellenleiter:
Dr. Christoph Kürzeder, Museumsdirektor