Ein Sturm wird kommen. Diese Nachricht ängstigt den  Mann am anderen Ende der Leitung. Alexander Fischhold versucht ihn zu  beruhigen. „So schlimm wird es doch gar nicht, habe ich gehört.“ Doch  der Mann lässt nicht locker, seine Stimme zittert. „Können Sie nochmal  nachschauen?“ Fischhold öffnet eine entsprechende Homepage und checkt  die Wettervorhersage. „Eher ein normaler Wind würde ich sagen“. Langsam  beruhigt sich der Anrufer. Nach und nach zeigt sich, dass die wahren  Gründe für seinen Anruf tiefer liegen.
	
		
		
			Hilfe jederzeit - das bietet die Telefonseelsorge im Erzbistum München und Freising. (Foto: unsplash / Annie Spratt)
		
	 
	 
		
	
	
	
	Es ist  Sonntagabend, kurz nach 23 Uhr, in der Telefonseelsorge des Erzbistums  München und Freising. Alexander Fischhold ist der Leiter, er hat heute  Nachtschicht und ist alleine in seinem Büro. Entspannt zurückgelehnt  sitzt er in seinem Schreibtischstuhl, die Schuhe hat er ausgezogen. Doch  seine Augen blicken konzentriert. Er hört dem ersten Anrufer des  heutigen Abends aufmerksam zu. Er hat ein Headset auf den Kopf, ab und  zu tippt er etwas in den Computer. Bis sieben Uhr wird er heute in die  Krisen und Probleme der Menschen eintauchen. 
Der  Mann mit der Angst vor dem Sturm öffnet sich nun dem Telefonseelsorger.  Seine Probleme sind zahlreich. Er ist psychisch krank, arbeitslos und  einsam. Er wohnt in einem großen Haus, mit dem er überfordert ist.  Deswegen auch die Angst, ein Sturm könne etwas zerstören. Am Ende des  Gesprächs kann Fischhold ihn dazu bewegen, ins Bett zu gehen. Der Mann  scheint sich gefangen zu haben. „Nehmen Sie das mit in die Nacht“, sagt  Fischhold mit sanfter, ruhiger Stimme und legt auf.
	
	 
		
	
	
	
	„Das  war ein typischer Anruf“, erklärt der Leiter der Telefonseelsorge. Bei  vielen Menschen kämen mehrere Probleme zusammen, und vor allem durch  psychische Beeinträchtigungen wüssten sie dann oft nicht mehr weiter.  „Es ist gut, dass sie bei uns anrufen. Das zeigt, dass sie noch ein Fuß  im Leben haben.“ Etwa 30.000 Anrufe bearbeitet die Telefonseelsorge im  Jahr. Neben München gibt es noch Dienststellen in Bad Reichenhall und  Mühldorf. Außerdem arbeiten Fischhold und seine Kollegen auch mit der  evangelischen Seelsorge zusammen. „So ist gewährleistet, dass jeder, der  will, uns auch erreichen kann.“
Fischhold  leitet die Telefonseelsorge hauptamtlich, sonst trägt sie sich  hauptsächlich durch Ehrenamtliche. Die werden ein Jahr lang auf ihre  Aufgabe vorbereitet, in ca. 200 Ausbildungsstunden. Anfang Februar  beginnt die nächste Runde. Ausbildungsschwerpunkte sind die Arbeit an  der eigenen Person, Einführung in die Gesprächsführung am  Beratungstelefon, Praxiserfahrungen am Telefon und Erarbeitung von  Grundwissen zu verschiedenen Problemfeldern.
	
	 
		
	
	
	
	Wie  wichtig eine gute Ausbildung ist, zeigt sich beim nächsten Anrufer. Er  wird sich in dieser Nacht häufiger melden. Der Mann ist alkoholkrank,  bei jedem Anruf wirkt er betrunkener. Er hat Angst zwangseingewiesen zu  werden. Auch er ist einsam. So richtig ausdrücken, was seine Gründe für  den Anruf sind, kann wegen seines Alkoholpegels nicht mehr. Am Ende des  ersten Gesprächs scheint er halbwegs entspannt zu sein. Aber der  Eindruck täuscht. Nur 10 Minuten später ruft er wieder an. Und immer  wieder.
Beim  dritten Anruf des Mannes erhebt Alexander das erste Mal in dieser Nacht  die Stimme. „Wir werden das heute Nacht nicht mehr lösen können!  Schlafen Sie doch jetzt ein wenig.“ Dann sperrt er den Anrufer. „Dass er  jetzt so oft anruft, ist die Konsequenz daraus, dass er am Tag seine  Themen nicht angeht. Das will ich nicht unterstützen.“ Er sei am Telefon  dann auch mal unbequem, wolle kein falsches Mitleid heucheln. Generell  geht es bei der Telefonseelsorge darum, zuzuhören und ein authentischer  Gesprächspartner zu sein. „Wir können die Probleme der Anrufer nicht  lösen, aber wir sind für sie da und begleiten sie ein Stück auf ihrem  Weg.“
	
	 
		
	
	
	
	Einfach  ist das nie. Es gibt zum Beispiel viele Anrufer, die sofort wieder  auflegen. Und auch mit Lügengeschichten werden die Telefonseelsorger  immer wieder konfrontiert. Um etwa 3 Uhr meldet sich ein Mann, der  behauptet, seinen eigenen Sohn angefasst zu haben und dieses Verlangen  immer noch in sich zu tragen. Fischhold verweist ihn an die Stelle „Kein  Opfer werden“, die auf solche Fälle spezialisiert ist. Doch der Mann  verstrickt sich in Widersprüche. Fischhold legt auf. 
Nach  seiner Schicht macht sich Alexander Fischhold gerne noch einen Kaffee,  um ein bisschen runterzukommen. Dabei hilft ihm auch der Weg nach Hause.  Denn es sind oft schwere Schicksale, die ihm am Telefon begegnen. Und  gerade deshalb ist es wichtig, dass die Telefonseelsorge rund um die Uhr  für Menschen da ist. Gerade auch in der Nacht. 
Text: Lukas Schöne für die Radiosendung Total Sozial 
	
	 
	Telefonseelsorge München
	
	
	
	
	
	
			
		
	
	
	Leiter: Alexander Fischhold