Zeit ist mehr wert als Geld Überlegt kaufen, bewusst schenken – wie Kinder in der Familie lernen, planvoll mit Konsum umzugehen

Im neuen Jahr müssen sich viele Familien Gedanken machen, wie sie mit ihrem Geld haushalten. Tipps zu konsumbewusster Erziehung von Christine Steinle aus dem Caritas-Projekt „Süßes Leben - Überquellende Kinderzimmer“.
 
Eltern mit beschenktem Jungen
Geld und Events zählen für Kinder weniger als gemeinsame Zeit ohne Programm
Events am Wochenende und im Urlaub, aufwendige Kindergeburtstage, Geschenke als Belohnung auch zwischendurch – brauchen Kinder das alles, um glücklich zu sein? Wie hoch der Wert solcher Konsum-Momente für Kinder wirklich ist, weiß Christine Steinle aus ihrer Erfahrung im dem Caritas Projekt „Süßes Leben - Überquellende Kinderzimmer“ und kennt Alternativen zu den gekauften Freuden.

In Kitas bietet die Sozialpädagogin Elternabende, arbeitet mit den Vorschulkindern und bildet Erzieherinnen fort. Für Jugendliche gibt es ein eigenes Programm zum Umgang mit Geld. Gerade die Elternabende treffen einen Nerv: „Es ist eigentlich in allen Familien so, dass man dem Konsumdruck nicht auskommt, bei Geschenken, beim Essen, bei Medien“, gesteht Sarah Hauner, in deren Münchner Kita ein Elternabend von „Süßes Leben“ stattgefunden hat. „Spielzeugleichen“ nennt sie die Spielsachen, die ungenutzt herumliegen, weil die Kinder ein übergroßes Angebot zuhause haben.

Weniger ist mehr

Bald wird sich weisen, wie viele von den neuen Weihnachtsgeschenken unter diese Kategorie fallen. Für die Sozialpädagogin Christine Steinle ist klar: „Kinder wären mit weniger zufrieden.“ Großeltern oder anderen Verwandten schlägt sie vor, Zeitgeschenke zu machen, einen schönen Ausflug zum Beispiel, statt immer weiter dazu beizutragen, dass die Spielzeugkisten überquellen.
Wenn Christine Steinle im Rahmen des Projekts mit Vorschulkindern arbeitet, unternehmen sie eine Phantasiereise auf eine Insel. Dorthin dürfen sie nur begrenztes Gepäck mitbringen. Viele Kinder nehmen gar nicht so viele Spielsachen mit, sondern Mama und Papa oder ihr Haustier. „Da sieht man, wie ein Kind von innen heraus tickt, was ihnen wichtig ist“, sagt Christine Steinle: „Zeit, die wir mit Kindern verbringen, wenn man mit ihnen spielt, wenn man etwas unternimmt mit ihnen, wenn man ihnen zuhört – das ist es, was sie am meisten lieben.“

Zeit ist wertvoller als Geld

Eine Maxime, die sich auch auf Freizeitunternehmungen und auf den Urlaub anwenden lässt. Kita-Mutter Sarah Hauner hat das mit ihren drei und fünf Jahre alten Kindern schon ausprobiert. „Wir haben letztes Jahr den ersten langen Urlaub gemacht und waren bewusst nur in der Natur“. Wie gut Kinder sich dort beschäftigen können, sei ihr da richtig klar geworden, berichtet die Mutter. In Zukunft will die Familie daher auch in der Freizeit weniger Programm wahrnehmen wie etwa Besuche im Kindertheater, wo dann auch schon Popcorn angeboten würde.
Christine Steinle
Christine Steinle
Auch der Punkt Kindergeburtstage hat beim Elternabend nachdenklich gemacht. Die Kita-Eltern haben direkt vereinbart, bei den Geburtstagsfeiern der Kinder den Aufwand zurückzufahren – eine Erleichterung für die Eltern, die sich alle am bisher üblichen Standard orientiert haben und auch allen Gästen Geschenke machten. Damit erzeugen die Erwachsenen eine Erwartungshaltung, die Kinder von sich aus nicht haben, erklärt Christine Steinle.

Konsum erzeugt Erwartungen

Solche Erwartungen werden den Kindern auch regelrecht antrainiert, wenn Eltern im Alltag häufig Belohnungen schenken - ein Thema, das Christine Steinle am Herzen liegt. Sie hat Verständnis dafür, dass Eltern im eng getakteten Familienalltag die Kinder mit kleinen Aufmerksamkeiten bei Laune halten wollen und so erreichen, dass Kinder auch ungeliebte Dinge erledigen. „Die Kita-Erzieherinnen berichten mir aber, dass manche Kinder gar nicht mithelfen wollen, wenn sie nichts dafür bekommen.“
Auch Unlustgefühle gehören zum Alltag und müssen ausgehalten werden, betont die Sozialpädagogin: „Wir alle können nicht immer nur glücklich sein. Es ist wichtig, dass die ganze Bandbreite der Gefühle ihren Platz haben darf“.  Dieses Wissen könne helfen, entspannter zu sein und nicht ständig ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn Eltern nicht so viel Zeit haben für die Kinder, wie sie möchten: „Auch das können Kinder verstehen, wenn man es ihnen erklärt.“

Mit Kindern über Geld reden

Mit den Kindern reden, ihnen erklären, was man sich leistet und was nicht, statt durch Konsum gute Laune zu erkaufen, das ist ein wichtiger Schritt vor allem, wenn das Geld knapper wird. Es fällt sicher besonders schwer, auf etwas zu verzichten, was man den Kindern gern kaufen möchte, doch Christine Steinle macht hier Mut: “Nicht an den Kindern sparen, sondern mit den Kindern sparen“, nennt sie es. Nicht vorgaukeln, es sei ja genug da, sondern die Kinder einbeziehen in die finanzielle Situation der Familie, ihnen erklären, dass nicht alle wünschenswerten Anschaffungen gerade möglich sind. Kindern falle es gar nicht so schwer, auf etwas zu verzichten, wenn sie wissen warum.

Nicht alles muss teuer sein

Und es gibt Alternativen, Second-Hand Käufe zum Beispiel, schlägt die Sozialpädagogin als gute Möglichkeit vor, Geld zu sparen und trotzdem Nötiges zu kaufen: „Hier hat man auch eine tolle Auswahl.“ Außerdem werden Ressourcen geschont.

Christine Steinle stellt bei ihren Elternabenden auch immer folgende Fragen: Kann ihr Kind warten? Darf es sich mal langweilen? Kann es Zeit mit sich selber aushalten? Erkenntnisse der Konsumforschung zeigen, dass diese Fähigkeiten Kindern helfen, später auch mit unerfüllten Wünschen und knappen Budgets umzugehen.

Loslassen, lockerer werden, rät Christine Steinle Eltern. Geld und Events zählen für Kinder weniger als gemeinsame Zeit ohne Programm. Und Zeit brauchen Kinder auch für ihre Entwicklung, etwa um ihren anstrengenden Kita-Alltag zu verarbeiten.
 
Text: Gabriele Hafner, Redakteurin beim Sankt Michaelsbund, Januar 2023

Kontakt für Buchung der Elternabende und das Schuldenpräventionsprogramm für Jugendliche über christine.steinle@kinder-und-konsum.de

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