Was Heimat für Familien bedeuten kann Wie wollen wir zusammen leben? Diese Frage sollten sich auch Eltern und Kinder stellen

„Heimat ist etwas, was ich mache“, sagt die Psychologin Beate Mitzscherlich – ein Grundbedürfnis von Menschen, das aber selbst für die Sesshaften nicht ein für allemal erfüllt ist. Vielmehr müssen wir uns darum kümmern.
Eingangsbereich eines Fachwerkhauses mit verzierter Holztür, roten Fensterrahmen, einer Bank und Blumen
Ein schönes Haus kann eine Heimat sein. Wo Menschen sich geborgen und sicher fühlen, da fühlen sie sich zuhause.
Heimat: Das erschien vielen in den vergangenen Jahren als verstaubter Begriff. Die Öffnung der Grenzen, das Zusammenwachsen Europas, eine hohe berufliche und Freizeitmobilität, zumindest bei den höher gebildeten und einkommensstarken Gruppen, die Möglichkeit, durch Internet und Mobiltelefone auch mit räumlich weit entfernten Menschen verbunden zu bleiben – diese Entwicklungen ließen Heimat – als Verbundenheit mit dem Lokalen – als gestrig erscheinen, weckten Vorstellungen von Enge und Provinzialität.

Wie wollen wir leben?

Geändert hat sich das nicht nur durch die vielen Menschen, die ihre Heimat verloren oder aufgegeben haben und jetzt nach Schutz, Sicherheit und Perspektiven für sich und ihre Kinder vor unserer Haustür suchen. Geändert hat sich das auch durch Menschen, die zunehmend wahrnehmen oder schon am eigenen Leib und in der eigenen Familie spüren, welche Belastungen die hohe Mobilität für Umwelt, Klima, Gesundheit, aber auch für familiäre und darüber hinausgehende soziale Beziehungen mit sich bringt. Wenn alle nur noch unterwegs und niemand mehr vor Ort ist, wird es nicht nur sehr anstrengend und mühsam, Paar zu bleiben, Kinder zu erziehen und Alte zu versorgen, sondern der Raum des Sozialen dünnt insgesamt aus. Die Einbettung und Einbindung in Netze wie Nachbarschaften, politische oder/und religiöse Gemeinden geht verloren und nicht zuletzt auch das Gefühl für ein Mit einander, Partizipation, Verantwortung für den gemeinschaftlich geteilten Raum.

Die Frage, wie wir leben, wie wir zusammenleben können oder sollten, wen wir als zu uns gehörig erkennen, anerkennen, aufnehmen, steht nicht nur für Deutschland oder Europa im Raum, sondern sie entzündet sich (manchmal leider im wahrsten Sinne des Wortes) in Stadtteilen, Kleinstädten, Dörfern und nicht zuletzt immer wieder in Familien.

Hier in unserem Haus


Für Dorothea Konrad hat Heimat einen ganz eindeutigen Ort: das Haus, in dem sie selbst geboren wurde und ihre Kinder geboren hat. Sie hat das nicht gesucht, sagt sie, es hat sich so ergeben.

Was Heimat für mich bedeutet, erfuhr ich zum ersten Mal mit 13 Jahren in der Endphase des Zweiten Weltkriegs. „Meine“ Schule im Saarland wurde geschlossen und ich mit meinen Klassenkamerad*en und einer Lehrerin in der Kinderlandverschickung nach Thüringen gebracht. In der Zeit dort hatte ich Heimweh und war sehr froh, als es nach zehn Monaten wieder nach Hause ging.

Gerade noch rechtzeitig, kurz vor dem Einmarsch der Russen, organisierte die Lehrerin die Heimfahrt. Nach einer abenteuerlichen Fahrt – drei Tage und Nächte in einem zeitweise verplombten Güterwaggon, durch alle Besatzungszonen, über die letzte intakte Rheinbrücke – stand ich im dicken Wintermantel, den ich nicht im Lager zurücklassen wollte, im Hochsommer auf dem Bahnhof in Merzig; erst da fiel mir auf, dass ich kein Geld für die Weiterfahrt besaß. Und zu Hause wusste niemand, dass ich komme. Da entdeckte mich zufällig eine Frau, die in „unserer“ Straße wohnte, und bezahlte mir den Bus.

Wieder zurück stürzte ich mich in der Pfarrgemeinde in die Jugendarbeit. Mein älterer Bruder war ins Kloster eingetreten, und ich dachte, das könnte auch für mich ein Weg sein. Also ging ich in ein klösterliches Internat nach Bayern, machte dort mein Abitur – und erlebte die zweite Heimweh-Episode. Der Grund war Ludwig, ein Freund meines Bruders, der bei uns zu Hause ein und aus ging und mit dem ich auch in der Pfarrei zusammengearbeitet hatte. Je länger ich weg war, desto mehr fühlte ich mich zurück zu ihm gezogen. Irgendwann wusste ich, dass ich nicht in den Orden eintreten konnte; ich wollte zu Ludwig nach Hause.
 
Geborgenheit und Sicherheit für die Kinder

1955 haben wir geheiratet. Dass wir zusammen in meinem Elternhaus landeten, hing mit den Kriegsfolgen zusammen; Wohnraum war knapp. Und dass wir dort blieben, war weniger eine Entscheidung für die Heimat als für die Eltern, die auf mich angewiesen waren. Als mein Vater starb, war meine Mutter hilflos und brauchte mich. Ich habe sie gepflegt, und sie ist auch hier in unserem Haus gestorben.

Alle meine sechs Kinder habe ich hier geboren. Dadurch habe ich eine nachhaltige Bindung zu diesem Haus entwickelt, und ich finde es schön, dass auch die Kinder hier Wurzeln geschlagen und Geborgenheit erlebt haben. Nach und nach haben wir überall renoviert und angebaut; so konnte Ludwig sein Büro als Steuerberater direkt neben der Küche einrichten. Und ich konnte alles gleichzeitig – berufstätig sein, meinen Mann unterstützen und jederzeit für die Kinder da sein.

Heute sagen sie, wie schön das für sie war; die Geborgenheit, die ich selbst spürte, hat auf sie ausgestrahlt. Mittlerweile haben einige von ihnen Nachbarhäuser gekauft; so entstand eine ganz dichte Heimat. Ich möchte nicht mehr hier weg, nicht in ein Altenheim. Auch wenn es zur Zeit schwer ist mit Ludwig, weil er immer tiefer in seine Welt versinkt und immer mehr auf meine Hilfe angewiesen ist. Ein wichtiger Teil meiner Heimat sind für mich auch die Kirchengemeinde, in der wir uns alle engagiert haben, und die Kirche selbst, das Gebäude. Dort wurden wir alle getauft, sind alle zur Kommunion gegangen, wurden alle gefirmt; zwei meiner Kinder haben auch dort geheiratet.
 
Verwurzelt im Dorf

Wenn ein Kind das Haus verließ, ging damit für mich auch ein Stück Heimat verloren. Unseren Ältesten sehe ich heute noch an der Straße stehen, nachdem wir ihn zu seinem Studienort gebracht hatten und er aus dem Auto ausgestiegen war …

Heimat ist für mich Geborgenheit, Bodenständigkeit, Verwurzeltsein in meinem Dorf, da, wo ich immer hinkommen konnte, mich immer sicher und wohl gefühlt habe. Ich habe das nicht gesucht, es hat sich ergeben. Und im Nachhinein ist es ein wunderbares Gefühl, dass ich diese Geborgenheit an meine Kinder weitergeben durfte und sie das genau so empfunden haben.

Dorothea Konrad lebt, mit wenigen Jahren Unterbrechung, in einem saarländischen Dorf in dem Haus, in dem sie vor 87 Jahren geboren wurde.


Ehe- und Familienpastoral
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Fachbereichsleiterin:
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Fachreferent:
Johannes Sporrer, Pastoralreferent, FamilienTeamTrainer

Fachreferent:innen in den Regionen:
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Region Süd: Peter Glaser, Ulrich Englmaier, Martin Kienast
Region Nord: Cornelia Schmalzl-Saumweber
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Tel. 089 213-77188
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Katja Haberl, Dipl. Sozialpädagogin

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