Leben (dr)innen neu entdecken Impuls für Mittwoch, 22. April 2020, von Konstantin Bischoff

„Wer aber die Wahrheit tut …“
Als ich Jugendlicher war, wurde in meiner Heimatpfarrei die Passion am Karfreitag nicht nur mit drei Sprecher*innen gelesen, sondern die Rollen wurden in der ganzen Gemeinde so verteilt, dass möglichst jede Person eine eigene Stimme bekam. Lange Zeit war ich als „Kleiner“ mit meiner Familie „das Volk“ oder „die Hohenpriester“. Ich glaube, etwa mit 15 Jahren bekam ich zum ersten Mal eine eigene Rolle: „Pilatus“. Und ein Satz geht mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf: „Was ist Wahrheit?“ Die Größe und Bedeutsamkeit faszinierte den Schüler damals genauso, wie sie den Pastoralreferenten heute bewegt.
Blick in den Himmel durch kreuzförmige Häuserschlucht
Foto: Ferdinand Stohr / unsplash
In diesem Jahr wurde die Passion gar nicht gelesen. Aber die Frage, sie ging mir trotzdem den ganzen Karfreitag nicht aus dem Kopf. Zu viele Halbwahrheiten und bewusste Unwahrheiten werden verbreitet, auch und gerade in dieser Krise. Teilweise in Naivität und teilweise auch in großer Böswilligkeit.

Jesus, so heißt es in der Johannespassion, spricht davon, dass er in die Welt gekommen ist, um von der Wahrheit Zeugnis abzulegen (Joh 18,37). Er selbst ist die Wahrheit, so sagt er an anderer Stelle. Sehr viel ist seitdem über wahre und unwahre Aussagen auch in Glaubensfragen gestritten worden. Die Frage nach der Wahrheit wird die Menschheit wohl beschäftigen, so lange es sie geben wird.

Aber Jesus legt im Evangelium eine Spur, worauf es ihm ankommt. „Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind“, heißt es im dritten Kapitel des Johannesevangeliums (Joh 3,21). Wahrheit wird also weniger gesprochen, als getan. In seinen Taten, seiner Hinwendung zu den Menschen und seiner unbedingten Liebe zum Leben hat er Zeugnis für die Wahrheit abgelegt.

Die, die es ihm da versuchen gleich zu tun, sie legen Zeugnis ab für die Wahrheit. Und derer sind zahlreich. Auch in diesen Tagen. Angesichts des Einsatzes der Nachbarschaftshilfen, Ärzt*innen, Pfleger*innen, Verkäufer*innen, aber auch der stillen Helferlein, die zum Telefon greifen, einen Kuchen vor die Tür stellen, in der Sorge frohe Stunden schenken … verstummt manche theoretische Diskussion. Hier wird Wahrheit gelebt. Und hier ist das Licht. Und das Heil. An anderer Stelle braucht es wohl noch viel mehr getane und nicht nur gesprochene Wahrheit, mit Blick zum Beispiel auf die Zustände der Flüchtlingslager, auf hafenlose Rettungsschiffe und ausbeuterische Kinderarbeit.

Was ist Wahrheit? Die Passion überliefert keine Antwort. Das Leben schon.

Jesus, der du für die Wahrheit Zeugnis abgelegt hast,
Jesus, der du die Wahrheit tatest,
Jesus, der du die Wahrheit bist,
hilf mir auf meinem Weg zur Wahrheit und zu Dir,
begleite mich bei meinen vorsichtigen Schritten die Wahrheit zu tun.
Deine Wahrheit segne mich, deine Wahrheit leite mich. Amen.

Text: Konstantin Bischoff

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G. R. Wendelin Lechner, Pfarrverbandsleitung
P. Philpp Sauter SDS, Kaplan
Dr. Konstantin Bischoff, Pastoralreferent
Franziska Bromberger, Pastoralreferentin
Egbert Laschewski, Diakon mit Zivilberuf