Grundlagen und Entwicklung der Pfingstdarstellungen in der Kunstgeschichte

Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren, und es erscheinen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab (Apg. 2 – 4).
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Fürstenfeldbruck, Pfarrkirche St. Magdalena, Kirchenraum, Deckengemälde, 1764 (Bild: EOM, HA Kunst)
So wortgewaltig und drastisch beschreibt die Apostelgeschichte des Lukas (Apg 2, 1 – 13) den Moment der Ausgießung des Heiligen Geistes, der Pneumatophanie, über Maria und die Jünger Christi. Das Pfingstfest findet erstmalig im 2. Jahrhundert Erwähnung und war zuerst Teil der 50tägigen bzw. 7wöchigen Osterzeit, die als Ganzes feierlich begangen wurde. Im 4. Jahrhundert erscheint es schließlich als eigenständiges Hochfest zum Abschluss der Osterzeit. 

Die Rahmenhandlung des ehrfurchtsvollen Ereignisses gibt die Zusammenkunft Mariae und der Jünger am jüdischen Hochfest Schawuot, dem 50. Tag nach Christi Auferstehung, vor. Sie alle hatten sich am Ort des letzten Abendmahls – dem Abendmahlssaal auf dem Berg Zion – zum Gebet eingefunden. Unvermittelt erschien ihnen der Heilige Geist und sie wurden Teil jenes Geschehens, das auch als Gründung der Kirche angesprochen wird. Infolge der Pneumatophanie hatten die Apostel die Fähigkeit erlangt in verschiedenen Sprachen zu sprechen, um die Mission aller Erdenvölker bis zum Tage des Jüngsten Gerichtes bewerkstelligen zu können. Denn anders als bei der babylonischen Sprachverwirrung (Gen 11,1 – 9) diente der Sprachwechsel diesmal zur Verständigung im einenden Glauben. Die Sprache ist maßgebendes Mittel im Christentum - denn am Anfang war das Wort (Joh 1, 1).

Pfingstfest und seine Bräuche

Die bildlichen Darstellungen des Themas orientieren sich stets am Pfingstbericht des Lukas (Apg 2, 1 – 41). Es wird der Moment der Herabkunft des Heiligen Geistes auf Maria und die Jünger im Abendmahlssaal illustriert. Dabei findet der Heilige Geist seine symbolische Entsprechung in einer weißen Taube, als die er schon bei der Taufe Christi erschienen war. Das Pneuma, der Hauch des Heiligen Geistes, wird durch rote Flammenzungen versinnbildlicht, die auf die Häupter der Versammelten herniedergehen.

Vor diesem Hintergrund konnten sich seit der Entstehung des Pfingstfestes auch zahlreiche Bräuche entwickeln. So wurden beispielsweise im Moment der Ausgießung hölzerne Tauben aus dem Himmelsloch in den Kirchenraum herabgelassen, manchmal gar durch echte ersetzt. In mittelalterlicher Zeit wurden in einigen Fällen sogar brennende Zweige, symbolisch für das herabkommende Pneuma, vom Kirchendachboden auf die Gläubigen herabgeworfen, andernorts dienten hierfür Rosenblüten und ungeweihte Hostien. Unter Hinzunahme von Posaunen oder Hörnern konnte das ankündigende Tosen des Windes nachgeahmt werden. Und auch noch heute werden einige Bräuche gepflegt, wie beispielsweise die Entzündung von Pfingstfeuern oder die weite Öffnung der Kirchentüren und Fenster am Pfingsttag, auf dass der Heilige Geist alles erfüllen möge.
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München, Frauenkirche, Chor, Chorgestühl, Relief, Holz, Ignaz Günter, 1770/72 (Bild: EOM / HA Kunst)

Pfingstdarstellung im Erzbistum

Die vorgestellten Pfingstwunder-Darstellungen der Erzdiözese entstanden alle zwischen der zweiten Hälfte des 15. bis ins späte 18. Jahrhundert und illustrieren auf anschauliche Weise die kunstgeschichtliche Entwicklung des Themas in Schnitzwerken, Tafel- und Leinwandgemälden sowie Wandmalereien. Sie alle folgen dem gängigen Darstellungsschema, bei dem Maria inmitten der sie flankierenden Jünger und der darüber erscheinenden weißen Taube dargestellt wird.

In ihrer Komposition und ihrem Aufbau erscheinen die früheren Beispiele weniger bewegt als die späteren. Die Szenerie wirkt in Gegenwart des Heiligen Geistes noch andächtig und kontemplativ, die Teilnehmer wirken in sich gekehrt. In Anlehnung an den Abendmahlssaal wirkt der Ort des Geschehens oftmals an zeitgenössischen Wohnräumen orientiert oder deutet diese an. Bei den Schnitzaltären ersetzt der Altaraufbau den gemalten Raum. Die Heilig-Geist-Taube bildet im Regelfall eine senkrechte Achse mit Maria aus und ist mit weit ausgebreiteten Flügeln dargestellt sowie frontal zum Betrachter ausgerichtet – sie wirkt wie ein Gleichnis des Gekreuzigten.

Im Fortschreiten der Jahrhunderte wird diese Statik zunehmend aufgelockert und das Figurenpersonal bewegter. Die Apostel umringen Maria, die im Zentrum des Geschehens bleibt, geradezu in ansprechenden, bewegten, teils kommunikativen Posen. Die Heilig-Geist-Taube durchdringt im dynamischen Flug die Wolken von oben herab und gießt das Pneuma auf die staunende und ehrfürchtige Schar. Das Geschehen findet nun überwiegend in Räumlichkeiten statt, deren Architektur Anleihen von sakralen Räumen, Kirchengebäuden, nimmt und es in den Rahmen eines heilsgeschichtlichen Schauspiels einwebt.

Text: Natalie Glas, Kunsthistorikerin, Bilder: EOM / HA Kunst

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